Theophrastus und der Kaiser
In schwerer Krankheit lag der Kaiser einst darnieder. Keiner von allen den Ärzten, die an sein Lager berufen worden waren, hatte ihm Hilfe gebracht. Da dachte man schließlich noch an Theophrastus Paracelsus, den berühmten Wunderdoktor von Salzburg, und beschied ihn zum Monarchen.
Theophrastus folgte sogleich dem Rufe. Da er nun in die Vorzimmer des Kaisers kam, wollten ihn die Hofdiener nicht zu dem hohen Kranken lassen, weil sein Rock allzu ärmlich war. Sie brachten daher einen neuen, kostbaren Talar und zogen ihm diesen aus. Hierauf erst geleiteten sie ihn zum Kaiser. Theophrastus blieb vor dem Lager desselben stehen, ohne ein Wort zu sprechen; auch der Kaiser schwieg. Dies Schweigen währte geraume Zeit. Endlich hub der Fürst klagend an: "Was habt Ihr mir da für einen Arzt gebracht? Er spricht ja kein Wort und tut gar nichts, mein Leiden zu lindern." Theophrastus aber sagte hierauf: "Ich habe gemeint, dies müsse der neue Talar tun, da deine Diener glaubten, meine Kunst müsse mit meinem alten Rock, den sie mir gegen diesen ausgetauscht, Schaden gelitten haben!"
Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd.1,
Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 260f, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus
Salzburg, München 1993, S. 90.