DIE WEISSE FRAU AUF HOHENSALZBURG

In vergangenen Tagen zeigte sich auf der Festung Hohensalzburg von Zeit zu Zeit eine seltsame gespenstische Erscheinung. Eine Frauengestalt war es, die in weißen, wallenden Gewändern feierlich und gemessen durch die weiten Säle und endlosen Gänge wandelte.

Briefmarke Festung Hohensalzburg

Briefmarke Festung Hohensalzburg
7,50 S, Republik Österreich, 1977
Sammlung Morscher privat

Besonders in hellen Mondnächten geschah es häufig, daß sie lautlos an den zu Tode erschrockenen Wachen vorüberglitt. Ein beherzter Soldat wollte einmal nach ihr greifen, doch als er hinzusprang, faßte er nur in leere Luft, die Erscheinung war wie Nebel zerflossen. Der Unglückliche stürzte besinnungslos zu Boden, und als er wieder zu sich kam, blieb sein Geist fortan dunkel und verwirrt.

Das Erscheinen der Weißen Frau soll stets auf das Herannahen von ernsten und schweren Zeiten hinweisen - auf Krieg, Brand, Hungersnot und Pest. So war es auch 1322, am Vorabend der Schlacht von Mühldorf, in der Friedrich der Schöne von Österreich und Ludwig der Bayer um die deutsche Kaiserkrone stritten. Damals zeigte sich die Weiße Frau zum ersten Male.

Tags darauf aber deckten 150 Ritter und Edelleute aus Salzburg das Schlachtfeld.

Auch später soll sich die Weiße Frau vor schicksalsschweren Tagen noch öfter gezeigt haben, doch in neuerer Zeit hat man nie mehr von ihr gehört.

Quelle: Brettenthaler Josef, Das große Salzburger Sagenbuch, Krispl 1994, S. 18