GESCHICHTEN VOM ALTEN STÖCKLAUER
Der Stöcklauer am Spumberg bei Vigaun besaß ein Zauberbüchl und war auch sonst ein Mann, der mit allen Geistern im Bund stand.
Einmal war er in seinem Wald bei der Holzarbeit beschäftigt, und als er sich nach kurzer Rast wieder erhob, war seine Säge gestohlen. Dies machte dem Stöcklauer wenig Kummer, er sagte bloß: "Wenn ich den Keil in den Baum geschlagen habe, muß auch der, der die Säge gestohlen hat, wieder da sein."
Und so war es auch wirklich: Kaum war der Eisenkeil in den Baum getrieben, da sah man auch schon den Nachbarn daherkommen. Langsam, wie von einer unsichtbaren Gewalt gezogen, kam er geschritten - in den ausgestreckten Händen aber trug er - die Säge!
Einst wollte der Stöcklauer das Hausdach ausbessern. Als am Morgen die Zimmerleute erschienen und sahen, daß noch kein Bauholz bereitlag, sagten sie: "Bauer, warum hast du uns angestellt, wenn du kein Holz hast?" Der Stöcklauer meinte darauf nur: "Geht in die Stube und eßt das Frühstück, das andere laßt nur mich machen."
Als dann die Zimmerleute bei der Milchsuppe saßen und beim Fenster hinausschauten, sahen sie den Bauern mit einem Wagen, vor den ein kleines schwarzes Stierl gespannt war. Dieses zog die schwersten Stämme mit einer Leichtigkeit, als ob der Stöcklauer Zündhölzer geladen hätte. Als sie nach kurzer Zeit wieder ins Freie traten, lag das ganze Bauholz schon bereit.
Trotz all dieser und vieler anderer Künste ging es dem alten Stöcklauer,
als er zum Sterben kam, nicht besser als vielen anderen Menschen. Er hatte
solche Angst, daß er sich in den hintersten Winkel des Heustockes
verkroch.
Quelle: Josef Brettenthaler, Das große Salzburger Sagenbuch, Krispl 1994, S. 113