26. Wie Maria-Lankowitz entstand.
Vor fast 600 Jahren kamen die Türken aus Kleinasien zum erstenmal nach Europa und eroberten bald den ganzen Balkan und Ungarn. Von hier aus unternahmen sie dann Raubzüge in die benachbarten Gebiete.
Eines Tages kamen sie auch nach Werth, einem Dorf im damaligen Westungarn, zwei Stunden von Radkersburg entfernt. Aus der dortigen Pfarrkirche stahlen sie das schöne Gnadenbild, eine hölzerne Marienstatue, raubten den kostbaren Schmuck und warfen dann das Bildnis, nur mit einem feinen Stoff bekleidet, achtlos in einen dichten Dornbusch. Es war dies angeblich im Jahre 1426.
Sieben Jahre später (1433) bemerkte ein Hirt, der im Wald, wo der Dornbusch stand, seine Rinder weidete, daß ihm einige Tiere seiner Herde fehlten. Er suchte den Wald ab und fand sie vor einem dichten Dornbusch in kniender Stellung. Als er sie wegtreiben wollte, wichen sie nicht vom Platz. Schließlich bog er — neugierig geworden — die Zweige des Busches auseinander und entdeckte im Gestrüpp die vor sieben Jahren gestohlene Marienstatue. Er wollte sie sogleich herausheben, brachte dies aber nicht zustande. Nun rannte er zum Dorfpfarrer, ihm den Fund zu melden. Diese Nachricht verbreitete sich rasch im Dorf, und die Leute wanderten in hellen Scharen hinaus, das Bild zu schauen. Der Pfarrer konnte die Statue aus dem Dornbusch wohl herausheben, doch nicht fortschaffen. Er ließ deshalb einen Karren holen, zwei von den knienden Ochsen vorspannen, hob die Statue hinauf und siehe da — die Tiere zogen den Karren nicht, wie erwartet, zur nahen Dorfkirche, sondern ins Murtal hinaus. Drei Tage und drei Nächte lang zogen sie ihn unaufhaltsam ohne Futter und ohne Führung die Mur, die Kainach und den Gradenbach aufwärts bis auf jene kleine Hochfläche, auf der sich heute Lankowitz ausbreitet. Dort blieben die Ochsen unter einer schönen Linde, vor der ein Kreuz stand, von selbst stehen und wollten nicht mehr weiter. Das Marienbildnis wurde beim Kreuz aufgestellt, wo es einige Jahre verblieb. Als sich mehrere Wundertaten ereigneten, baute man für das Gnadenbild eine hölzerne Kapelle. Die Zahl der Wallfahrer nahm beständig zu, und als immer wieder wunderbare Heilungen kranker Menschen erfolgten, begann der Ritter Georg von Gradner mit dem Bau der neuen Wallfahrtskirche und des dazugehörigen Franziskanerklosters; Kaiser Friedrich III. erteilte seine Zustimmung. 1455 war der Kirchenbau vollendet; das Gnadenbild thront auf dem Hochaltar.
Kaiser Friedrich III. kam wiederholt nach Lankowitz, um hier auf Hirsche zu jagen. Er übernachtete in einer einfachen Klosterzelle, und es wird erzählt, daß er einmal von seinem Zellenfenster aus einen kapitalen Hirschen mit seiner Armbrust erlegte. — Im Laufe der Zeit wurde der Andrang der Wallfahrer immer größer, so daß man 1681 die Kirche erweiterte und 1709 auch das Kloster.
Im Kirchhof steht die 1660/61 erbaute Antoniuskapelle — ehemals Friedhofkapelle — mit einem Herbersteinschen Familienbild; dargestellt ist der Freiherr Siegmund von Herberstein mit sechs Söhnen und seine Gemahlin mit neun Töchtern, zusammen also 15 Kindern. Als 1566 die Bewohner von Lankowitz der lutherischen Lehre angehörten, wurden die Mönche verjagt und das Kloster gesperrt; erst 22 Jahre später (1588) konnten sie wieder ins Kloster und in die Kirche einziehen. — Während dieser Zeit soll eines Tages Amalia, die Gemahlin Christofs von Kainach, als eifrige Protestantin, das Gnadenbild vom Altar herabgenommen, es geschmäht und mit mehreren Nadelstichen mutwillig verletzt haben. Die Strafe für diese Freveltat folgte auf dem Fuße. Zu Hause angekommen, soll ihr Gesicht sofort angeschwollen sein und sich mit bösartigen Geschwüren bedeckt haben, und zwar an den gleichen Stellen, an denen sie die Gnadenstatue zerstochen hatte. Bald darauf soll sie unter großen Qualen verschieden sein.
1415 wird das Dorf Lankowitz erstmalig urkundlich erwähnt und erhielt auf Bitten Andreas Greißeneggers von Kaiser Friedrich III. im Jahre 1470 Marktrechte. — Um 1440 gründete Georg von Gradner das heutige Schloß Lankowitz mit Ringmauer und breitem Wassergraben; die alte Burg stand vermutlich auf dem Franziskanerkogel, der sich steil knapp hinter dem Kloster erhebt. Ein Jahr lang war Kaiser Friedrich III. Besitzer der Herrschaft, verkaufte sie jedoch 1460 an Andreas von Greißenegg. Von diesem Zeitpunkt an wechselten sehr häufig die Inhaber, bis dann 1855 das Schloß als Weiberstrafanstalt eingerichtet wurde. — Kaiser Josef II. machte 1786 Lankowitz zur Pfarre. 1867 bedrohte ein unterirdischer Brand des Kohlenflözes Kirche und Kloster, und die ganze Gegend hüllte sich in Rauch. Im folgenden Jahr wurden alle Zugänge zum Brandherd fest vermauert, so daß das Feuer erstickte. Lankowitz war gerettet, doch muß das Flöz, worauf Kirche und Kloster stehen, unberührt bleiben.
Quelle: Was die Heimat erzählt, Die Weststeiermark, Das Kainach-, Sulm- und Laßnitztal. Herausgegeben von Franz Brauner. Steirische Heimathefte. Graz 1953.
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