3.7.4 Die Hüter der Schätze
Wie überall auf der Welt wird das Energiezentrum (der Schatz) des Berges von Zwergen, Bergmandln etc. sowie von einer weißen Fee gehütet und bei Bedarf gegen den Zugriff Unbefugter verteidigt, wobei eine ultimative Gerechtigkeit (Bestrafung der Habgierigen, Rettung von Unschuldigen) eine große Rolle spielt. Nur Menschen von reinem Herzen und Bewußtsein können am Schatz teilhaben. Eine Variante erzählt vom Grimmingmandl, das im Ennstal einmal im Jahr an einem bestimmten Tag unter den Menschen Schätze aus dem Berg verteilt hat.
Die Sagen berichten von vielen erfolglosen Versuchen habgieriger Menschen, an die Schätze zu kommen. Die große Ausnahme bildet ein „Italiener“, also ein im ganzen Alpenraum weit verbreitetes „Venedigermandl“, der mit magischen Mitteln und unter der Voraussetzung einer großen menschlichen Reife und Weisheit den Schatz permanent „anzapfen“ konnte und sich damit am Leben hielt. Vielleicht handelt es sich bei den Venedigermandln oder „Welschen“ um letzte Vertreter keltischer Druiden, die jedes Jahr ihre individuellen Kraftplätze aufsuchten, um „Energie zu tanken“. Für die Wahrscheinlichkeit der Flucht gallischer Druiden vor den „ethno-religiösen Säuberungen“ Cäsars und der römischen Besatzer des Alpenraumes in die schwer zugänglichen Alpentäler gibt es einige Indizien, sowohl in Sagen, als auch in der Geschichtsforschung, aber leider keine Beweise, schließlich lehnten die Druiden jede schriftliche Überlieferung ab.
Rätselhaft ist das Spottlied des Grimmingmandls über den Eisenbahnbau, der nie vollendet werden sollte, denn schließlich wurde die Eisenbahn ja doch fertig. Vielleicht handelt es sich um eine verschlüsselte und mißverstandene Warnung, daß das einseitige materielle Streben der Menschen in Verbindung mit Technik und ständiger Beschleunigung nicht zum Ziel führen würde. Der Vergleich mit dem extrem langsamen Nähen des Rockes („Oll Tog oa Stich“) verdeutlicht die völlig unterschiedliche kosmische Zeitdimension der Berggeister, wobei diese ihre Aufgabe im Gegensatz zu den hastigen Menschen zum Ziel bringen würden. Zahlreiche alpenländische Sagen berichten von ähnlichen Untergangsprophezeiungen oder Verfluchungen in Verbindung mit den Entwicklungen der Industrialisierung. Vielleicht wird das Grimmingmandl auf lange Sicht doch recht behalten, und der schnelle Weg der habgierigen industrialisierten Menschen endet eines Tages im Nichts, wie dies auch auf einer Felszeichnung der Hopi-Indianer in Arizona, USA, dargestellt ist; zumindest sollte die Warnung nachdenklich stimmen. Denn nicht nur sagenhafte Bergmandln sondern auch alle großen religiösen Lehrer der Menschheit einschließlich Jesus von Nazareth warnen uns eindringlich vor der einseitigen und ausschließlichen Fixierung auf materielle Werte und Errungenschaften, und moderne Klimawissenschaftler bestätigen auf ihre Weise die alten Warnungen.
Quelle: Sagenhaftes Hinterbergertal, Sagen und Legenden aus Bad Mitterndorf, Pichl-Kainisch und Tauplitz
vom Ende der Eiszeit bis zum Eisenbahnbau, Matthias Neitsch.
Erarbeitet im Rahmen des
Leader+ Projektes „KultiNat“ 2005 – 2007.
© Matthias Neitsch