3.7.2 Sitz der Muttergottheit am Grimming
Der Grimming dürfte auch Sitz einer vorchristlichen, keltischen Muttergottheit gewesen sein. Die Sage berichtet von einer weißen Gams am Grimming. Diese ist in vielen alpinen Sagen überliefert und stellt eine Erscheinungsform der keltischen Muttergottheit bzw. dreifaltigen Göttin dar. Auch gehört neben Schneehuhn und Murmeltier die Gams zu den 3 Attributen der „Saligen Frauen“. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang sind auch die Sagen von den drei saligen Fräulein am Reithartl Kogel bei Bad Mitterndorf und am Lieglloch in Tauplitz (die drei Erscheinungsformen der Göttin, im Brauchtum des oberen Ennstales auch durch Weiß-, Schwarz- und rote Percht überliefert, überall in den Alpen verbreitet). Auch die weiße Habergoas des Nikoloumzuges ist möglicherweise mit der weißen Gams verwandt.
Der Hinweis, daß die weiße Gams (in der christlich beeinflussten Überlieferung als verwunschene Seele gedeutet) nur von einem besonders frommen Jäger getötet und damit „erlöst“ werden kann, ist möglicherweise die christianisierte und entfremdete Variation der Möglichkeit der Einswerdung mit Gott/Göttin bei reinem (geläuterten) Herzen und Bewußtsein. Auch erinnert dieses Motiv an die in der keltischen Mythologie insbesondere mit dem keltischen Frühlingsfest „Beltaine“ verbundenen Jagdmotive (Der Jüngling tötet den alten Herrscher, symbolisiert durch einen Hirschen, bzw. jagt die Jungfrau, meist als weiße Hindin, Gams, Kuh o.ä. symbolisiert, um dann mit der „heiligen Hochzeit“ Frühling und Fruchtbarkeit zurückzubringen).
Auch die Sage vom vergessenen Kind im Grimming enthält den Hinweis auf eine weisse Frau, die im Berg das Kind versorgt hat.
Quelle: Sagenhaftes Hinterbergertal, Sagen und Legenden aus Bad Mitterndorf, Pichl-Kainisch und Tauplitz
vom Ende der Eiszeit bis zum Eisenbahnbau, Matthias Neitsch.
Erarbeitet im Rahmen des
Leader+ Projektes „KultiNat“ 2005 – 2007.
© Matthias Neitsch