Die Kasmandeln und der Knecht

Es war einmal im Spätherbst. Die Almleute hatten längst schon die Sennhütten verlassen und waren mit ihren Herden ins Tal gezogen. Eines Tages fuhr ein alter Knecht mit dem zweirädrigen Gebirgskarren – von einem Pferd gezogen – hinauf auf die Alm, um noch vor Einbruch des Winters verschiedene Geräte aus der Sennhütte zu holen. Weil die Alm aber weit entfernt war, wollte er in der Hütte übernachten und nahm deshalb ein tüchtiges Stück Schaffleisch mit, das er sich oben braten wollte, um nicht hungern zu müssen.

Als er am Abend das Fleisch in die Pfanne legte und das Herdfeuer den Hüttenraum mäßig erhellte, stand plötzlich ein Kasmännlein vor ihm und fragte: „Darf ich auch mein Fleisch mitbraten?“ Der gutmütige Knecht nickte bejahend, das Männlein legte schnell eine Schlange in die heiße Pfanne, rührte alles mit dem Finger durcheinander und sprach: „Das ist mein Fleisch!“ zeigte dabei auf den Schafbraten, „und das ist dein Fleisch!“, wobei es auf die Schlange zeigte. Da wurde der Alte zornig und jagte das Männlein samt der gebratenen Schlange aus der Hütte hinaus. Seinen schönen Schafbraten, auf den er sich schon so gefreut hatte, musste er aber wegwerfen, denn er war von dem Schlangenkörper sicher auch vergiftet worden. Verärgert und hungrig legte sich der Knecht nieder, um zu schlafen. Doch kaum hatte er die Augen geschlossen, wurde es in der Stube lebendig, denn überall rührte und regte es sich unheimlich, so dass dem Knecht bald das Gruseln schüttelte. Voll Entsetzen hörte er auf einmal vom Dachboden herab die Kasmandeln rufen: „Geh’n wir gleich hinunter! Geh’n wir gleich hinunter!“ – Und schon hörte er viele kleine Schritte von der Dachkammer herabtrippeln. Schnell sprang der Mann zur Tür hinaus und in den nahen Stall hinein, wo er die ganze Nacht neben dem Kopf des Pferdes stehend verbrachte. – Als es hell wurde, spannte er das Pferd vor seinen Karren und fuhr eilig den Berg hinab nach Hause.

Als er sein nächtliches Erlebnis den Hausleuten erzählte, meinte die alte Kuhdirn ärgerlich: „Du hättest auch daran denken können, dass gestern der gefürchtete Kasmandeltag war!“

Quelle: Auszug aus „Was die Heimat erzählt“ Steirische Heimathefte, Heft 8
Email-Zusendung Andy, April 2024