Ein gewalttätiger Goldsucher
Westlich von Altaussee stehen noch heute die Ruinen der alten Burg Pflindsberg und nicht weit davon, am Südfuß des Sandlingberges, liegt das schöne Bauerngut Waldgrabner, auch Waldhauser genannt. Zum alten Waldgrabner kam vor vielen Jahren eines Tages ein kleiner Mann, dem Aussehen nach ein Welscher, der den Bauern bat, ihm den Weg auf den Sandlingsberg zu zeigen. Der Alte übernahm bereitwillig die Führung, und als beide auf halber Berghöhe waren, bedankte sich der Fremde, verabschiedete rasch den Bauern und schickte ihn nach Hause. Doch dieser, dem das seltsam aufgeregte Gehaben des Welschen auffiel, schöpfte Verdacht und beschloss, sein weiteres Tun heimlich zu beobachten. Zu diesem Zweck versteckte er sich in einer nahen Felsspalte. Der Welsche stolperte lange herum, kroch über Felsblöcke, guckte in alle Spalten hinein, hob allerlei Steine auf, die er aufmerksam betrachtete und sie dann enttäuscht wieder wegwarf. Schließlich kletterte er vorsichtig in eine Schlucht hinab, in der ein kleiner Wildbach lustig über die Felsstufen sprang. Mit gierigen Händen wühlte der Fremde im Bachbett herum, holte glänzende Steine aus dem Wasser und füllte damit seine Kraxe. Als der Welsche sich zum Fortgehen anschickte, bemerkte er den Bauern in seinem Versteck. Er griff sofort nach seiner Armbrust und schoss einen scharfen Bolzen auf ihn ab, der jedoch glücklicherweise das Ziel verfehlte. Wutentbrannt sprang Waldgrabner heraus und schlug mit einem gewaltigen Faustschlag den Welschen zu Boden.
– Als sich dieser nach einer Weile erholt hatte und den Bauern mit grimmigem Gesicht vor sich stehen sah, bat er flehentlich um Gnade. Der gutmütige Alte ließ sich besänftigen, hob den kleinen Mann samt der Kraxe auf seine Schultern und trug ihn hinab in sein Bauernhaus. Im Stallkämmerlein bereitete er für ihn ein Nachtlager, wünschte gute Nacht und ging selbst ins Haus schlafen. Mitten in der Nacht ergriff der Welsche heimlich die Flucht, steckte aber zuvor das Stallgebäude in Brand, so dass dieses von den Flammen vollständig vernichtet wurde. Als der Bauer vom Prasseln der Flammen und vom Feuerschein erwachte, stand der Stall in voller Glut, so dass nichts mehr zu retten war. Als er dann am Morgen die Asche untersuchte, um nachzusehen, ob der Fremde am Ende in den Flammen umgekommen sei, war er sehr erstaunt, als er dort, wo früher das Stallkämmerlein war, einen großen Klumpen geschmolzenes Gold fand. Nun wusste er freilich, dass der Welsche ein Goldsucher war und im Bachbette edles Erz gefunden hatte. Waldgrabner verkaufte das Gold, konnte aus dem Erlös das Stallgebäude wieder aufbauen und erweiterte und verschönerte seinen Bauernhof. Der Welsche aber wurde nie mehr in der Gegend gesehen.
Quelle: Auszug aus „Was die Heimat erzählt“ Steirische Heimathefte, Heft 8
Email-Zusendung Andy, April 2024