Der im Wetterloch am Schöckl gebesserte Köhlerhanns
Der Köhlerhanns war ein schlechter Bursche. Alle Mädchen in der Gegend fürchteten sich vor ihm, denn schon manche hatte er durch Schmeicheleien dran bekommen und dann in Schimpf und Schande sitzen gelassen,- ein besonderer Schrecken war er für die alten tugendsamen Jungfern, die er mit schneidenden Spott- und Hohnreden verfolgte, worin er Meister war.
Auch bei seinen Kameraden war er nicht sonderlich beliebt, denn er verstand das Frotzeln und Sticheln vortrefflich. War er berauscht oder im Zorn, verstand er keine Freundschaft beim „Aushacken" und „Fleischmachen" (Ausdrücke der Semriacher bei blutigen Raufhändeln), und er war wegen seiner Körperstärke und seines wilden Sinnes ein gefürchteter Gegner. Galt es, jemandem einen Schabernack zu spielen, so suchte man ihn wegen seiner Erfindungsgabe auf.
Einmal fiel ihm ein, ins Wetterloch am Schöckl hinabzusteigen und dieses zu untersuchen.
„Im Schöckl ist ein großer See, darin steht eine goldene Säule, und auf dem Wasser schwimmen goldene Zapfen so groß wie türkische Weizenstriezel", erzählte ihm ein alter Bauer.
„Nur einen einzigen solchen Zapfen möchte ich haben. Dann wird's fidel und lustig weitergelebt", sagte der Köhlerhanns, als er sich mit einigen Kameraden auf den Weg zum Schöckl machte. Vor dem Höhleneingang angekommen, umgürtete er sich mit einem starken Seil und ließ sich daran in die Tiefe hinab.
Zur Vorsicht brachten die Burschen an der Öffnung eine Glocke an, deren Strang bis hinunter in die schaurige Dunkelheit reichte und der bei Gefahr angezogen werden konnte.
Der Köhler war bereits längere Zeit im Schöcklloch, und die Wartenden standen ängstlich und zugleich hoffnungsvoll am Rand und blickten hinein. Da ertönte plötzlich das Gebimmel der Glocke. Eilig zogen sie den Burschen herauf, der bleich und ohnmächtig das Tageslicht erreichte.
Nachdem sie ihn zu Bewußtsein gebracht und gelabt hatten, bestürmten sie ihn mit Fragen, was er denn dort unten gesehen und ob er Gold mitgebracht habe.
„Wer etwas wissen will, der soll selbst hinabsteigen!" antwortete der Köhlerhanns ernst und kurz angebunden.
Seit diesem Tag war er ein anderer Mensch,- er wurde ein Vorbild des Guten und lebte fürderhin still und zurückgezogen, bis er drei Jahre nach dieser Begebenheit starb.
Quelle: Eustachius Kurz, Schöcklsagen.
In: Annemarie Reiter (HG.), Grazer Sagen und Geschichten, Graz 1996, S. 198.