Die Kronennatter
In der „Ottermanderlkeusche“ im Harrersimmerlgraben, der sich von dem Nattergraben zum Zösenberg hinaufzieht, lebte eine Mutter mit ihrem kleinen Kind. Dieses hatte ein so prächtiges Aussehen, daß alle Menschen, die es sahen, darüber erstaunten.
Einst hatte die Mutter auf dem nahen Grund zu tun.
Sie mußte das Kleine allein daheim lassen, und um es zu beruhigen, stellte sie dem Kind eine Schüssel voll Milch auf den Boden und einen Löffel dazu. Als die Mutter von der Arbeit zurückkam und ihre Stube betrat, bot sich ihr ein sonderbarer Anblick: Eine große Natter mit einer Krone auf dem Kopf aß mit dem Kind aus einer Schüssel. Die Mutter erschrak heftig, denn sie glaubte, das Kind sei von dem Tier bedroht. Sie faßte sich ein Herz, trat näher hinzu und erschlug schnell die Natter. Von dieser Stunde an nahm das Kind ab und siechte bald langsam dahin.
Quelle: Hans von der Sann, Andritz und Umgebung.
In: Annemarie Reiter (HG.), Grazer Sagen und Geschichten, Graz 1996, S. 176.