Der Lindwurm vom Zösenberg
Im Glockengraben, früher Gloggengraben - der Name soll vom slowenischen „globok“ = tief abgeleitet sein -, der vom Zösenberg nach Südosten in den Annagraben herunterführt, hauste einst ein schrecklicher Lindwurm.
Sein Körper war mit einem Schuppenpanzer bedeckt, die kurzen Füße krallenbewehrt, ein übler Pesthauch entwich seinem riesigen Rachen, den er mordgierig aufsperrte.
Viele Menschen und Tiere fielen dem gefräßigen Ungeheuer zum Opfer, aber auch Hochwässer, die im Tal großen Schaden anrichteten, wurden ihm zugesprochen, denn bei starken Regenfällen füllte sich der Graben mit Wasser, das dann schäumend in wilden Strudeln und Kaskaden die enge Schlucht hinabdonnerte.
Lange dachten die verängstigten Bewohner der Umgebung darüber nach, wie sie das Untier unschädlich machen könnten.
Da schlachtete ein pfiffiger Bauer ein Kalb und füllte den Bauch des Tieres mit ungelöschtem Kalk.
Diese Lockspeise legte er für den Riesenwurm an eine Stelle im Glockengraben, wo dieser gern zu ruhen pflegte.
Am darauffolgenden Tag erschien das Ungeheuer und verschlang den Leckerbissen, bald verspürte es großen Durst und kroch hinab zum Schöcklbach, aus dem es in gierigen Zügen soff. Das Wasser aber löschte den Kalk, und es begann im Bauch des Lindwurmes zu brodeln und zu kochen. Die Wampe schwoll mehr und mehr an, bis das Tier schließlich unter fürchterlichem Gebrüll zerplatzte. Noch viele Jahre nachher soll beim Weidangerkreuz am Südausgang des Einödgrabens eine Rippe des Lindwurmes gelegen sein, so groß, daß bei einem Gewitter einige Fuhren Heu samt dem Gespann darunter Platz gefunden haben.
Quelle: Hans von der Sann, Andritz und Umgebung.
In: Annemarie Reiter (HG.), Grazer Sagen und Geschichten, Graz 1996, S. 172.