Das graue Männlein im Kogel
Von der Höhe des Buchwaldes bei Fürstenfeld führt ein wilder, zerrissener Graben zwischen zwei Kogeln hinab zur Feistritz. Er heißt der Klinserl-Graben, und von ihm werden manche Geschichten erzählt.
Vor nicht langer Zeit wohnte unweit vom Buchwalde in einer elenden Hütte eine arme Frau mit einem kleinen Knaben. Der Knabe kam eines Tages auf die weite Waldwiese im Buchwalde und sah dort einen großen Hasen dem Klinserl-Graben zulaufen. Er rannte ihm nach, doch auf einmal war der Hase verschwunden. Als er umherblickte, um zu schauen, welche Richtung das Tier wohl genommen haben mochte, sah er plötzlich unter einer mächtigen Buche ein kleines, graues Männlein stehen, das ihn zu sich heranwinkte. Der Knabe gehorchte und folgte dem Männlein willig durch die Buchen hinab in den Klinserl-Graben. Dort sah er unter einer großen Eiche eine Türe, die in den Berg führte. Das Männlein öffnete sie und führte ihn in den Berg hinein.
Drinnen lagen Gold- und Silbermünzen in großen Haufen. Das Männlein füllte sein graues Hütlein mit glänzendem Golde, gab es dem Knaben und sagte: “Wenn du niemandem erzählst, auf welche Weise du zu dem Gelde gekommen bist, so kannst du, sooft es dir gefällt, herkommen und dir wieder davon holen.“ Dann führte es ihn wieder aus dem Berge hinaus und war danach verschwunden. Der Knabe trug das Geld heim zu seiner bekümmerten Mutter. Die wollte wissen, wo er es bekommen habe, aber trotz all ihrer Fragen verriet er es nicht.
Am nächsten Tage ging er wieder auf die Wiese und traf dort abermals den Hasen. Als er diesem nachlief, traf er auch das Männlein am gleichen Ort wie tags zuvor, doch war es nicht mehr ganz grau, sondern am Unterleibe schon weiß. Der Knabe bekam wieder soviel Geld wie das erste Mal und trug es nach Hause.
Diesmal aber drang die Mutter so sehr in ihn, dass er ihr endlich alles offenbarte. Sie beschloss darauf, am nächsten Tage mitzugehen und einen großen Korb mitzunehmen, um mehr heim tragen zu können. Mutter und Sohn erblickten aber weder Hasen noch das Männlein, und auch die Türe in den Berg fanden sie nicht. Seither ist der Berg verschlossen, und niemand kann zu dem Schatze gelangen.
Quelle: Haiding, Karl: Volkssagen aus der Steiermark, S. 251 f., Graz - Wien 1982
(nach Meixner, Hdschr. 1388 StLA., Bl. 41 f., L. 281. Jos. Staar aus Fürstenfeld, 1894. Verlust des Schatzes durch Bruch des Schweigegebots. Das teilweise Weißwerden des Männleins deutet die allmähliche Erlösung an.)
Email-Zusendung Franz A. Rabl, Fürstenfeld, November 2008