Der Mord beim Schöcklkreuz
Es wird erzählt, daß einst ein wilder Jägersbursch beim Schöcklkreuz einen Mord verübt hat.
Dem üblen Gesellen war jedes Mittel recht, um zu Geld zu gelangen,- und so beschloß er, dem „Gottscheber Seppl", ein Hausierer, der oft die weitverstreuten Bauerngehöfte am Schöckl aufsuchte und den Bauern seine Waren anbot, an einem entlegenen Ort aufzulauern, ihn zu berauben und zu töten. Eines Nachts hob der Jägersbursch beim Schöcklkreuz eine tiefe Grube aus, die er sorgfältig mit Reisig bedeckte.
Mehrere Tage wartete er dort vergebens auf den Hausierer. Eines Abend kam der alte Mann schwer beladen den Berg heraufgekeucht, und als er beim Schöcklkreuz rasten wollte, sprang der Bösewicht hinter einem Baum hervor und streckte den Ahnungslosen mit einem tödlichen Schlag zu Boden.
Nachdem er sich seines Geldes bemächtigt hatte, verscharrte er die Leiche in der Grube und verschwand spurlos aus der Gegend. Der Hausierer wurde nicht vermißt, man glaubte, er sei wieder in seine Heimat zurückgekehrt. Da hörte der „Schindjakl", ein abergläubischer Köhler im Schöcklwald, der immer wieder vergeblich nach dem Schöcklschatz suchte, daß es beim Schöcklkreuz nicht mit rechten Dingen zugehe, daß sich dort oft nachts ein Lichtlein zeige. „Dies ist sicher das Zeichen, daß an diesem Ort ein Schatz vergraben ist", meinte er und stieg mit Krampen und Schaufel hinauf zum Schöcklkreuz.
Er grub und grub, bis er endlich auf einen großen Stein stieß. Ächzend hob er ihn auf.
Da flog eine weiße Taube empor,- vor dem entsetzten Mann jedoch lag ein bleiches, menschliches Gerippe.
An den Überresten und dem zertrümmerten Schädel erkannte man den längst vergessenen Hausierer.
Man brachte ihn ins Tal und bestattete seine Gebeine im Ort St. Radegund in geweihter Erde.
Der Mörder, der nach Marburg geflüchtet war, fand nirgends Ruhe; schwere Gewissensbisse plagten ihn Tag und Nacht, so daß er sich schließlich eines Tages selbst richtete.
Quelle: Eustachius Kurz, Schöcklsagen.
In: Annemarie Reiter (HG.), Grazer Sagen und Geschichten, Graz 1996, S. 191.