Von den Kaswürmern

Ja, es gibt auch Kaswürmer; freilich haben bisher wenig Menschen solche gesehen. Aber der Pochhäusler, der einmal von der Giglacher Jagd nach Hause ging, sah einen großen Zug Kaswürmer daherkommen. Sie wollten in eine Sennhütte eindringen, in der eine schlampig und unrein arbeitende Sennerin wirtschaftete. Wenn die Kaswürmer einmal die Türschwelle überschreiten, bringt sie kein Mensch wieder hinaus. Alles, was sie in der Hütte vorfinden, wird von ihnen restlos aufgefressen; zuerst Butter und Käse, dann sogar noch das Gewand der Almleute. Darum sind die Kaswürmer ganz besonders gefürchtet und jede Sennerin, die ihre Hütte rein halten will, muss öfters zur Tür hinausschauen, ob ihr nicht irgend eine böswillige Nachbarin die Kaswürmer geschickt hat. Bemerkt man nämlich die Kaswürmer rechtzeitig, so kann man sie „umdrehen“, indem man ihnen einen sogenannten „Kreuzstecken“, aus einem Kreuzzaun gebrochen, entgegenhält. Dann müssen die Kaswürmer sofort umkehren und über Wiesen und Wege dorthin zurückwandern, woher sie gekommen sind. Dann weiß man auch, welcher böse Mensch sie geschickt hat.

Eine kluge Sennerin weiß sich auch noch auf eine andere Art zu helfen. Wenn die Kaswürmer kommen, nimmt sie schnell eine große Pfanne, gibt ein bisschen Schmalz und röstet darin eine Handvoll Kaswürmer. Mit diesem Fett, aus den gerösteten Kaswürmern gewonnen, reibt sie sich an irgend einer Körperstelle tüchtig ein, und an der gleichen Stelle bekommt jene Sennerin, welche die Kaswürmer ausgeschickt hat, sogleich hässliche, schwarze Flecken. Als der Pochhäusler damals die Kaswürmer herankommen sah, brach er sogleich einen Kreuzstecken vom Zaun heraus und hielt ihn den Würmern entgegen, so dass sie sogleich umkehren mussten. Der Mann aber sprang ihnen nach und erschlug sie alle. Die Sennin, der die Kaswürmer vermeint waren, war ihm für die Abwehr so dankbar, dass sie ihm einen gar „mächtigen Butterstriezel“ schenkte.

Aber, woher kommen eigentlich die Kaswürmer?

Ein sechsjähriges Mädchen muss sie in der Heiligen Nacht aus jener Wolle spinnen, die man den weißen Schafen von der Stirne geschoren hat. Im Sommer kann man dann diese Kaswürmer jener Sennerin schicken, die man nicht leiden kann.

Quelle: Auszug aus „Was die Heimat erzählt“ Steirische Heimathefte, Heft 8
Email-Zusendung Andy, April 2024