DER SCHATZ IM TOPLITZSEE
Gold, Diamanten, Falschgeld, Listen und Geheimkonten - alles soll sich unter der dunklen Oberfläche des Sees verbergen, versenkt von SS-Kommandos in den letzten Tagen des Krieges. Ein Kranz von Gerüchten und Legenden hat sich seither um diese SS-Aktion gebildet, und diese führten zu unterirdischen Fehden miteinander verfilzter, sich bekämpfender seriöser und unseriöser Bergungstrupps ...
Es war Anfang Mai 1945. Eine Kolonne staubbedeckter Wehrmachtlastkraftwagen rollte in Hitlers "Alpenfestung". Die Ladung bestand aus Banknotenpressen, aus Dokumentenbeuteln und falschen Pfundnoten. Die SS-Fälscherwerkstätte im KZ Oranienburg, in der Häftlinge falsche Pfundnoten herstellen mußten, mit denen Englands Währung untergraben werden sollte, wurde verlagert, Mussolini-Befreier Skorzeny hatte die "Führer" des "Dritten Reiches" auf die ideale Lage des Ausseer Landes als "Schatzkammer" aufmerksam gemacht, in die nun alles hineingepfercht wurde, was dem Zugriff der Alliierten entzogen werden sollte: Gemälde, Gold- und Devisenbestände, Pläne, Geheimaufzeichnungen - und die Fälscherwerkstätte. Aber der Transport aus Oranienburg hatte Pech, die Kolonne ging während eines Fliegerangriffes in Flammen auf.
Nur zwei Lastkraftwagen blieben übrig, fuhren ziellos durch die Gegend, auf der Flucht vor den anrückenden Alliierten. Was sollte mit der Ladung geschehen? Man telefonierte mit Kaltenbrunner. Aber der hatte bereits andere Sorgen. "Schmeißt den Plunder ins Wasser", schrie er in den Hörer und legte auf. Sein Befehl wurde wörtlich durchgeführt. Man setzte sich mit dem Leiter der Marineversuchsstation am Toplitzsee in Verbindung und versenkte die Ladung.
Die Alliierten bekamen jedoch bald Wind von der Aktion. Froschmänner begannen zu tauchen, aber sie fanden nichts. Die Schwierigkeiten waren zu groß. "Einige Meter über dem Grund hat sich ein Rost aus Baumstämmen gebildet, die in den See gefallen sind", erklärten die Amerikaner. "Dieser Rost ist eine Todesfalle."
Doch auch die Umgebung des Sees wurde zur Falle, in der manche Schatzsucher für immer hängenblieben. Im Februar 1946 unternahmen zwei ehemalige Mitarbeiter der Marineversuchsstation Toplitzsee eine Bergtour auf den Feuerkogel, von der sie nicht mehr zurückkehrten. Einen Monat später fand man ihre Leichen hundert Meter unter dem Gipfel, unweit jenes Platzes, auf dem ein zwischen dem Führerhauptquartier und dem SS-Kommando Altaussee hin- und herfliegender Fieseler Storch öfter gelandet war. Ein Unfall, mutmaßte man.
Einem Unfall fiel im August 1955 auch ein anderer ehemaliger Mitarbeiter der Marineversuchsstation im Gebiet um den Toplitzsee zum Opfer, ein Frankfurter, der von einem einen Meter hohen Plateau abglitt und dabei den Tod fand. Einige Jahre später gab es wieder einen tödlichen Bergunfall, das Opfer war ebenfalls in der Marineversuchsstation beschäftigt gewesen.
Waren es wirklich Unfälle? Oder hatten die Männer etwas gesucht, vielleicht geheime Skizzen über den genauen Versenkungsort? Wurden ihnen die Skizzen abgejagt oder entledigte sich irgend jemand unbequemer Konkurrenten?
Im Juli 1959 gelang einer deutschen Illustrierten endlich das, was viele Schatzsucher vorher vergeblich versucht hatten: Ein von ihr finanziertes Bergungsteam holte aus dem Toplitzsee Kisten mit falschen Pfundnoten im Wert von ungefähr 500 Millionen Schilling herauf, die in der Nationalbank in Wien verbrannt wurden. Unmittelbar darauf wurde die Aktion gestoppt, der See behält seine restlichen Geheimnisse ...
Quelle: Die Presse. - Wien, 31. Oktober 1963