DER LINTWURM
Wenn ein Hahn neun Jahre alt geworden, legt er ein Ei, welches, wenn es ins Wasser kommt, einen Lintwurm hervorbringt.
Im Wilden See auf einer Alpe (Hochwand) bei Oberwölz ist vor Zeiten ein Lintwurm gewesen. Er war durch ein Auerhahnei entstanden. Er zog alles Vieh in der Nähe durch seinen Hauch an. Wenn er hungrig war, brüllte er, daß die Berge zitterten. Immer waren die Leute in großer Angst, er möchte einmal durchbrechen und die ganze Gegend verwüsten, aber zum Glück ist er von zwei einsinkenden Felsen erdrückt worden. Ein andrer Lintwurm war in einem Alpenteiche bei Zeiring (Pusterwald). Als er einmal aus dem Teiche brach, warf er einen großen Graben aus und schleuderte die Steine eine halbe Stunde weit um sich. Zwischen Knittelfeld und Judenburg ist ein großer See gewesen, in welchem ebenfalls ein Lintwurm hausete. Als einst der See versiegte, kamen die Anwohner mit Knitteln herbei und erschlugen ihn. Das Feld wurde wegen der vielen umhergeworfenen Knittel Knittelfeld genannt; die Stelle, wo der Lintwurm lag, hieß man Lind. Nach fünfzig Jahren noch sind die Lintwurmrippen ein Unterstand des Weideviehes gewesen.
Quelle: Weinhold, Kleine Mitteilungen: Zeitschrift des Vereins für
Volkskunde 1, 1891, 217
Aus: Will-Erich Peuckert, Ostalpensagen, Berlin 1963, Nr. 233, Seite 131