Der treue Hund.
Auf Eppenstein lebten einst Zwei Raubritter, Vater und Sohn, die furchtbar grausam waren. Da ward im Kampfe bei einem Raubzug der alte Ritter erschlagen und ward droben in der Burg begraben. Der Sohn aber trieb nun das Räuber-Handwerk allein weiter und zwar ärger als zuvor, überfiel nicht nur reiche Kaufleute, sondern auch arme Bauern und Greislerleute, wenn sie zum Markte fuhren.
Da fuhr nun eines Tages ein Wagen mit Waren von Judenburg ins Lavanttal, und unweit von Eppenstein schloß sich ihnen ein fremder, alter Mann mit einem herrlichen Hunde an.
Im Eppensteinergraben stürmte nun wie gewöhnlich der Raubritter mit seiner Schar hernieder, raubte den Wagen aus und nahm dem alten Mann den Kund weg.
"Sollst ihn haben!", sagte der Mann, "vielleicht wirst gescheiter." Sprachs und verschwand im Gebüsch des Waldes, bevor ihn der Raubritter für sein vorlautes Wort gefangen nehmen konnte, und war trotz alles Suchens nicht mehr zu finden.
Der Ritter nahm nun den Hund, der sich überraschend schnell an ihn gewöhnte, bei allen seinen Ausgängen, bei den Jagden und Raubzügen mit; aber bei diesen zog der Kund derart an der Leine, daß der Ritter, der ihn angehängt hatte, ihn an sich reißen mußte. Er hatte ihn aber wegen seiner Treue so lieb, daß er ihn nie strafen konnte; schon des öftern hob er den Stock oder die Peitsche, um ihn zu schlagen, aber da sah ihn der Hund so bittend an, daß ihm die Peitsche entfiel.
Eines Tages nun, als bei einem Raubzug gegen einen armen Krämer der Hund mehr denn je den Ritter an der Leine wegzuziehen suchte, riß demselben die Geduld, und er schlug nach dem Raubzug den Hund so fürchterlich, daß er entsetzlich jammerte, und der Ritter brüllte ihn an: "Warum zerrst du mich immer fort, wenn ich auf einem Raubzug bin?!"
Da tat der Hund das Maul auf und sagte: "Auf deine Frage habe ich schon lang gewartet. Sieh, ich trage deines Vaters Seele in mir und muß dich wegziehen von deinem frevlen Tun, daß deiner Seele nicht das gleiche geschieht wie mir."
Da erschrak der Ritter gar sehr, raubte nie mehr und ward ein braver, bußfertiger Mann.
Quelle: Burgsagen aus Steiermark, P. Romuald Pramberger, Seckau 1937, S. 81.
© digitale Version SAGEN.at