Frauenburg - Ritter Reimbrecht.*)

Auf Frauenburg häufte vor Jahrhunderten der grausame Ritter Reimbrecht, dessen Herz so kalt war wie der von der Mur bespülte Stein; dessen Sinn so rauh war wie der wildeste Wintersturm, der den Schnee mannshoch auftürmt und am Waldesrand die Bäume bricht. Ein Raufer und Fehdehans, wie er war, ward er zu keinem Fest geladen, der Weg zum Turnier ward ihm durch feierliche Erklärung der Ritterschaft verboten.
Nun sah eines Tages der rauhe Geselle von seiner Burg aus in der Scheiben Holzbaracken erbauen und erfuhr von seinen reisigen, daß dort ein Turnier vom Liechtensteiner sollte abgehalten werden. Das Fest begann, und Reimbrecht, dem das Zusehen eine zu wässerige Junge gemacht, ritt auf mächtigem Zelter ungekannt hinab. Als er aber dem Herold seinen Namen vermelden sollte, ward er erkannt und unter dem Hohngelächter aller barfuß Heimgetrieben.

Solcher Schimpf war dem Raubritter zu viel, und er sann in seinem zorn- und haßerfüllten Herzen auf grauenhafte Rache. Am feindseligsten war er dem edlen Jüngling Karl von Dürrenstein gesinnt, der es gewagt, auf die Verbannung des Ritters von den Schranken aufmerksam zu machen. Als nun dieser vom Turnier mit schönem Preis aus Frauenhand in sein Keim zum alten Vater heimritt, da überfiel ihn im Angesichte der Burg Dürrenstein der auf ihn lauernde Burgherr der Frauenburg, schleppte ihn auf das Schloß und warf ihn in den Kerker, teuflisch lachend vor grimmer Schadenfreude. Zugleich aber ließ er von seinen Spießgesellen Dürrenstein überrumpeln und kam gerade noch zurecht, als man in die obere Burg eindrang, wohin sich der greise Otto, Karls Vater, und  seine Tochter Gunde zurückgezogen. Schon hatte der grausame Reimbrecht gegen Otto das Schwert gezückt, da warf sich mutig das Mädchen dazwischen, von dessen Schönheit überwältigt der wüste Geselle von seinem Vorhaben abließ und beiden das Leben schenkte.

Im Rittersaale beim Saufgelage, das der Sieger seinen Spießgesellen gab und dem der alte Dürrensteiner samt Tochter beiwohnen mußte, erklärte der Räuber nun, daß nur gegen die Hand Gundas der zum Tod bestimmte Karl befreit werden könnte. Über des Wüterichs Zumutung erschrak das tugendhafte Mädchen nicht wenig, das schon unter den adeligen Jünglingen einen Bräutigam gewählt hatte und in einer Einwilligung in des Schurken Angebot ein Leben voll Leid und Elend vor sich sah. Als sie nun bange auf den Vater hinsah, um aus seinem Antlitz die rechte Antwort zu lesen, fuhr der rohe Räuber auf: "Nun, wirds bald? Entweder wirst du sogleich mit mir vom Burgpfaffen getraut, oder ich führe dich als meine Dirne mit auf das Schloß und habe mein schönstes Vergnügen, um das mich sogar der Böse beneiden wird, der dann den Allen und den Jungen holen mag als Sühne für meine Schmach." So gab das zitternde Mädchen aus Liebe zu Vater und Bruder sich dem Wüterich hin als Gattin.

Wieder kehrte Reimbrecht vom geräumten Schlosse Dürrenstein nach ritterlichem Handschlag in seine Burg an der Mur zurück und öffnete dem neuen Schwager Kerker und Fesseln. Aber weder die Bewohner Dürrensteins noch auch Gunda konnten glücklich werden in der Verwandtschaft des Raubritters, der die Kemenate feines Eheweibes mit allem Aufwand geschmückt. Trat sie zum Fenster oder erging sie sich im Zwingergärtlein, so drang das rauhe Gejohle und das wilde Gepolter der Zechenden aus dem Rittersaale zu ihr herüber, schloß sie sich ab, so war es so einsam um sie, so verlassen wähnte sie sich, daß sie hätte vergehen mögen vor Weh; und ihre Umgebung war vom wilden Gemahl ausgewählt, und keine einzige Magd war vertrauenswert. Ihr einziger Trost war, daß sie von den hohen Zinnen der Frauenburg nach ihrer Heimat blicken konnte. Und gern stand sie des Abends unter dem Fenster und blickte hinaus in den herrlichen Feierabend der Natur.

Einmal nun, es mochten zwei Monate seit ihrem Einzug in die Burg verflossen sein, stand sie wieder beim Fenster und hörte von tief unten schwermütige Töne einer Harfe heraufklingen. Wer mochte der Spielmann sein? So selige Erinnerungen an die schönen Stunden, die sie im Gute Saurau verbracht, traten vor ihre Seele hin, ihr ward so wohl zumute und so weh zugleich. Sie ahnte, drunten harrte der Erlesene ihres Herzens, und rief hinauf zu ihr durch so weiche Melodien.

Alles lockte, anderseits aber mahnte die Pflicht zum Widerstand und die große Gefahr warnte auch dringend dawider.

Aber die Versuchung ward zu groß; sie wollte sich vergewissern, ob der Spielmann Wilhelm von Saurau war, ihr Auserlesener; sie winkte mit einem Tuche hinab, nicht mehr wissend, was sie tat, und hörte von unten herauf die Worte des Liedes:

"Ach du bist des Wüstlings Gattin,
und mein Glück ist sterben gangen ..."

Da flog, als Gunda noch in Tränen beim Fenster stand, die Tür auf, und Reimbrecht, der Gundas Treiben beobachte! hatte, stürzte eifernd auf sie Zu und riß sie vom Fenster weg; dann stürmte er hinaus und verschloß die Tür, ließ den Sänger erfassen und erdolchen; ein Spießgeselle trug den Leichnam in Gundas Zimmer, die sich jammernd über ihn wirft. Währenddessen ersinnt der Wüterich eine wahrhaft teuflische Rache und als der Morgen kommt, ist sein Plan gereift. Er läßt ein leeres Faß mit Eisenspitzen nach innen spicken, reißt dann Gunda von ihrem einstigen Bräutigam los und trägt sie in seiner Eifersucht selbst hinab in den Burghof, wo das Faß stand, steckt sie hinein und läßt das Faß schließen. Die rauhen Gesellen, die manchen wilden Streich schon mitgemacht, wollen sich weigern, diesen grauenhaften Befehl zu vollführen; da droht der Wüterich mit gezücktem Schwert, jeden zu töten, der seinem Befehle nicht nachkomme. Dann rollt er mit teuflischer Freude und satanischem Lächeln das Faß mit der Wimmernden den Abhang hinunter.

Als die wüsten Gesellen das scheußliche Tun des Ritters wahrnahmen, und sahen, daß er auch sie selbst mit dem Leben bedrohte, da knirschten sie erbittert und machten grause Vorsätze; ein alter Krieger aber, der als reisiger auf Dürrenstein Gunda einst auf den Armen getragen hatte, erfaßte ergrimmt den Burgherrn und stürzte ihn selbst hinab, wo er an den scharfen Kanten zerschmetterte.

Mancher will den Ritter schon in stürmischer Nacht gesehen haben, wie er, in Vettellumpen gehüllt, durch die Trümmer des Schlosses wandert und seufzend und wimmernd die Blutspuren wegfegen will, die seitdem versteinert am Felsen als Granaten zutage treten.

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Eine andere Sage läßt durch den steirischen Adel die Burg brechen und ihn zur Strafe nach Palästina ziehen, um seine Schuld im Kampfe gegen die Sarazenen zu sühnen.

*) Mehrere Sagen führen seltene Namen an, die sich in der historischen Besitzerreihe gar nicht finden: diese Sagen sind gedruckten Werken entnommen, sind also wahrscheinlich gar nicht unverfälscht überliefert; ich brachte diese Namen, wenn ich auch überzeugt bin, daß das erzählende Volk sich deren nicht bediente, z. b. Liutwinda, Reimbrecht, Ismengild.

Quelle: Burgsagen aus Steiermark, P. Romuald Pramberger, Seckau 1937, S. 43.
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