Vorwort
Ein Kleinod aus dem unermeßlichen Schatz seiner jahrzehntelangen Sammler- und Sorscherarbeit hat uns diesmal wieder der "steirische Grimm", P. Romuald Pramberger O. S. B., geschenkt. In seinen Burgsagen führt uns der nie rastende Volkskundler in eine altehrwürdige Vergangenheit unserer grünen Mark, in eine längst versunkene Welt, in das Reich der Burgen und Schlösser. Freilich, einige Zeugen stehen noch wie damals; trutzig und stolz auf ihre Jahrhunderte schauen sie an den schönsten Punkten unseres Landes weit hinaus mit mächtigen Türmen oder nurmehr mit spärlichen, aus dunklem Tann aufragenden Mauerresten. Unsere Steiermark war einst reich an Burgen und Schlössern. Als Mark- und Grenzland war sie angewiesen auf die Stützpunkte, die die Burgen für die frühen germanischen Siedler waren. Als es noch keine wall- und grabenbewehrte Städte und Märkte in unserem Lande gab, die dem Siedler und Bauer, wenn die Feinde sengend und brennend hereinbrachen, eine sichere Zufluchtsstätte geboten hätten, waren sie die einzige Stätte, hinter der sich der Ritter mit seiner wehrfähigen Mannschaft für Volk und Heimat dem Feinde zur Wehr setzte. Meistens waren die Bauern ja Untertanen des betreffenden Burgherren, der Freud und Leid mit ihnen teilte.
Nicht wenige ritterliche Minnesänger, die das Lob der Frau von Burg zu Burg verkündeten, haben unsere steirischen Burgen gesehen. Ulrich von Liechtenstein, der bedeutendste steirische Minnesänger, saß ja auf der Frauenburg bei Unzmarkt und manch' fahrender Sänger hat auf steirischen Burgen die herrlichen Lieder der Gudrun und der Nibelungen gesungen. Der steirische Reimchronist Ottokar hauste wahrscheinlich auf einer Burg und hinterließ uns seine große Reimchronik, die uns so viel Interessantes aus der Geschichte der Steiermark im 13. Jahrhundert zu erzählen weiß. Aber nicht von der Geschichte im engeren Sinn will uns P. Romuald erzählen, nein, von dem, was uns keine verstaubte Urkunde, keine wundervoll bemalte Handschrift aus Pergament, kein behauener Stein, kein Buch zu künden weiß, von der Sage im Wunde des Volkes.
Alles, was er, keinen Weg und Steg zur Burg und Umgebung scheuend, erlauschen konnte, hat er emsig wie eine Biene eingeheimst zum Ergötzen nicht nur für unsere Jugend, sondern auch für diejenigen, die Sinn und Begeisterung für unsere Vergangenheit haben. In der Sage spiegelt sich ja die Volksseele wieder; mit großer Liebe und Sorgfalt wollen wir diese schönsten Perlen deutschen Volkstums aus der Feder unseres steirischen Volkskundlers, der nun auch schon langsam in das Greisenalter schreitet — er hat am 12. April d. J. bereits seinen 60. Geburtstag gefeiert — als reife Frucht seines nie müde werdenden Geistes entgegennehmen.
Die Burgsagen beschränken sich nur auf den geographisch begrenzten Raum des oberen Murtales und des Gebietes um St. Lambrecht und Neumarkt, da, wo P. Romuald sich in jeder Hinsicht sehr gut auskennt! Daher bringt er auch nur Gediegenes! Was dem Werke "Steirische Burgen und Schlösser" von A. Baravalle wegen seiner trockenen geschichtlichen Aufzählungen von archivalischen Daten, die höchstens den Wissenschaftler interessieren können und müssen, abgeht, die lebenswarme Schilderung, wie sie in der Burgsage zum Ausdruck kommt, hat P. Pramberger für sein Gebiet meisterhaft getroffen. Und daher sind die Burgsagen ein "Volksbüchlein" im wahrsten Sinne des Wortes geworden.
Mögen die Burgsagen so wie die "Märchen aus Steiermark" einen herzlichen Willkomm-Gruß in Schule und Haus finden!
Seckau, am Feste Allerheiligen 1937.
Prof. Dr. P. Benno Roth O. S. B.
Quelle: Burgsagen aus Steiermark, P. Romuald Pramberger, Seckau 1937, S. 3.
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