DAS RIESENGESCHLECHT UND DIE MENSCHEN
In der Umgebung der Ortschaft Stubenberg, im Bezirke Pöllau, befinden sich mehrere Höhlen, welche vom Volke "Frauenhöhlen" genannt werden, weil in dieselben zur Zeit eines Krieges die Frauen und Kinder der Bewohner sich geflüchtet und sich darin vor den Feinden verborgen gehalten hatten. Auch beim vulgo Großheider, kurzweg "Heider" genannt, befinden sich zwei solche Höhlen, in deren einer aber, der größeren, vor undenklichen Zeiten ein Riese mit seiner Tochter gehaust haben soll.
Einst ging das Riesenfräulein in den Wald und fand zu ihrem Erstaunen sieben Menschen, welche das von den Bäumen auf den Boden gefallene dürre Laub zusammenrechten. Es waren allerliebste Geschöpfe, Männlein und Weiblein, und da das Riesenfräulein an diesen Streurechern Gefallen fand, so packte sie selbe zusammen, tat sie in ihre Schürze und trug sie heim in ihre Höhle. Freudestrahlend trat sie vor ihren Vater und zeigte ihm den seltsamen Fund. Der aber wurde sehr böse und befahl seiner Tochter, die kleinen Leutchen alsogleich wieder auf den Platz zurückzutragen, wo sie selbe gefunden hatte. Das Riesenfräulein tat dies, und als es wieder heimkam, sagte der Vater: "Diese Leute gehören einem neuen Menschengeschlechte an. Wenn sich dieses wird vermehrt haben, wird auch unsere Zeit zu Ende sein, und alle Riesen werden von der Erde verschwinden."
An diese Riesen oder Heiden mag auch der Name "Großheider" oder "Heider" erinnern. Noch zeigt man die Höhle, welche das Riesenfräulein mit ihrem Vater bewohnt hatte; doch "fragst du nach den Riesen, du findest sie nicht mehr!"
In der Gegend zwischen Gleichenberg und Radkersburg wohnten einst ebenfalls Riesen, von denen man sich eine ähnliche Sage erzählt. Sie hausten im Inneren der kleinen Hügel oder "Kögeln", welche in einem Walde der Gemeinde Hof, hart an der Straße, liegen. Einst kehrte ein Riesenweib eiligst vom Felde heim und sagte zu ihrem Manne: "Sieh, welchen herzigen Fund ich in meiner Schürze trage. Diese lieben, kleinen Geschöpfe fand ich, als sie eben auf dem Felde gar emsig arbeiteten." Dabei zog die Riesin einen Bauersmann samt Pferden und Pflug aus der Schürze hervor. Darauf erwiderte ihr Mann, der Riese, ganz ernst: "Ei, ei, laß doch diesen Pflüger mit seinen Pferden unbehindert das Feld bebauen! Dieses kleine Geschlecht wird einst noch mächtig werden und sogar unser Land beherrschen." Die Riesin trug nun den Fund wieder an den gehörigen Ort zurück, und der Bauer pflügte ungestört das Feld wieder fort.
Noch zeigt man in dieser Gegend die Stelle, wo des Riesen Frau den Bauern samt seinem Gespann vom Felde weggetragen hatte.
Sagen aus der grünen Mark, Hans von der Sann, Graz 1911