DER SCHATZ IM HERDE
Einst kehrte ein fremder, vornehm aussehender Herr aus dem Welschlande
bei einem Bauern in der "hinteren Krakau", einer Gegend in der oberen
Steiermark zwischen der Enns und der Mur, ein. Der Bauer hatte in der
Küche einen auffallend großen altertümlichen Herd, welchem
der Fremde ein besonderes Augenmerk schenkte. "Aber", sagte er zum Bauern,
"wie könnt Ihr nur ein solch unförmliches Ding in Eurem Hause
dulden! Weg damit, richtet Euch lieber einen zweckmäßigeren
eisernen Herd her, wie wir solche bei uns daheim in Italien haben, ein
solcher braucht viel weniger Holz und nimmt auch kaum ein Drittel von
dem Platze ein, den dieser Koloß hier benötigt!"
"Nein, nein", erwiderte der Bauer, "daraus wird nichts, denn nicht alles
Alte ist schlecht und auch nicht alles Neue gut; auch ist dieser Herd
mir und den Meinen besonders lieb und wert, weil mein Urahndl zum Ahndl
auf dem Totenbelte gesagt hat, er solle den Herd nicht abreißen,
wenn er nicht in der Not sei. Der Ahndl hat dies meinem Vater erzählt
und dieser wieder mir. Nun bin ich zwar nicht reich, aber das Gebot meines
Vaters und meiner Ahndl möchte ich doch nicht übertreten, wenn
ich auch das Ganze nicht recht verstehe."
Rauchküche (Rauchkuchl) in der Steiermark
Bildarchiv
SAGEN.at, Nr. 23060
Der Fremde zeigte anfangs bei diesen Worten eine kleine Unruhe, welche
dem Bauern auffiel und in ihm einen Verdacht erregte, daß es mit
dem Herde ein eigenes Bewandtnis haben müsse.
Alles Drängen des Fremden nützte nichts. Der Bauer wollte nichts
von einem neuen Herde wissen und pries die Vorteile des alten mit ebenso
beredten Worten als der Fremde die eines neuen Herdes. Als nun der fremde
Herr von der Fruchtlosigkeit seiner Bemühungen überzeugt war,
brach er von dem Gegenstande ab und brachte erst einige Tage später
wieder das Gespräch auf den Herd. Er lud nämlich den Bauern
ein, mit ihm nach Italien zu reisen und sich dort alles Schöne und
Herrliche anzusehen; die Reise hin und zurück sollte ihm nichts kosten,
denn der Fremde wollte diese Auslagen zum Danke für die freundliche
Aufnahme selbst bestreiten. In Italien, in seinem Hause angekommen, wolle
er ihm dann seinen Herd zeigen, und wenn derselbe dem Bauern gefiele,
sollte dieser selben mitnehmen, dafür aber ihm das Abbrechen des
alten und das Aufrichten des neuen Herdes gestatten. Dem Bauern war dies
recht; er gedachte, wegen des Herdes schon auf eine Weise dem Fremden
zu entschlüpfen, und freute sich der billigen Reise und der schönen
Städte und Gegenden, die er nun sehen sollte.
Sie reisten ab und dem Bauern war es schier, als müßte ihm
der Verstand stehen bleiben ob der vielen Herrlichkeiten, die er zu Gesichte
bekam. Er dachte schon, dem Fremden die Bitte zu willfahren zum Danke,
daß er ihn mitgenommen. Und als sie die Wohnung des Welschen erreicht
hatten und der Bauer sich hier den Küchenherd besehen und die in
die Augen fallende Zweckmäßigkeit desselben erkannte, war er
fest entschlossen, auf den Antrag des Fremden einzugehen. Erteilte auch
diesem seinen Entschluß mit. Darüber war nun der Welsche ungemein
erfreut und ließ sich die Bewirtung seines ländlichen Gastes
noch mehr angelegen sein.
Da wollte es der Zufall, daß der Hausherr in wichtigen Geschäften
dringend abberufen wurde und einen ganzen Tag ausblieb. Den Bauern trieb
die Neugierde umher, und er wollte sich alle Räumlichkeiten des Hauses
ansehen. So kam er nun auch in ein kleines Kämmerlein, in dem sich
nichts befand als ein unscheinbarer Spiegel, der an der Wand hing. Der
Bauer tat einen Blick in denselben und staunte nicht wenig, als er anstatt
seines Ebenbildes eine Landschaft darin sah. Er trat nun näher und
erkannte gleich, daß das Bild im Spiegel sein heimatliches Dörflein
darstelle, und, o Wunder, er erblickte deutlich sein Haus und den Herd
in der Küche, welcher durchsichtig zu sein schien, denn im selben
befanden sich eingemauert drei große Töpfe, vollgefüllt
mit blinkenden Goldstücken.
Der Bauer wußte nun, daß dieser Spiegel ein Bergspiegel sei,
der verborgene Schätze anzeige, und er erklärte sich jetzt das
Drängen des Fremden, den Herd abzureißen. Er überlegte,
wie er dem Welschen mit List zuvorkommen könnte, und beschloß
endlich, die Seinigen von der seltsamen, freudigen Entdeckung in Kenntnis
zu setzen.
Gedacht, getan! Der Bauer schrieb seinem Weibe, wie er durch den Bergspiegel
entdeckt habe, daß im Herde drei große, mit Goldstücken
gefüllte Töpfe verborgen seien. Da er den Herd dem Welschen,
mit welchem er hieher nach Italien gereist sei, abgetreten habe, so dürften
beide hoffentlich bald wieder nach Hause kommen. Daher möge sein
Weib von der Kammer aus in den Herd eine Lücke brechen, die Töpfe
herausnehmen und das Gold an einem sicheren Orte verbergen; dann aber
möge sie die Töpfe mit Steinen füllen, sie wieder an den
vorigen Ort stellen und alle Spuren möglichst unkenntlich machen.
Der Herd selbst aber solle in der Küche an keiner Stelle verletzt
werden, damit der Welsche nicht Verdacht schöpfe.
Der Bauer übergab den Brief der Post, und als der Hausherr abends
heimkam, tat jener nichts dergleichen, daß er das Geheimnis vom
Schatze im Herde erfahren habe.
Wenige Tage darauf reisten der Welsche und der Bauer wieder zurück
in die Heimat des letzteren. Schon vor dem Dorfe gewahrte der Bauer in
einem Verstecke das Gesicht seines ältesten Sohnes, der ihm verständnisvoll
zuwinkte. Der Bauer schloß daraus, daß man seinen Brief erhalten
und den Befehl ausgeführt habe.
Als nun die beiden in des Bauers Wohnhaus traten, war des Fremden erster
Gang nach der Küche, um den Herd zu besichtigen. Er lächelte
seelenvergnügt vor sich hin, denn nichts an ihm schien beschädigt.
Der Welsche mußte sich nun dem Bauern verpflichten, selbst den alten
Herd abzureißen und den neuen aufzustellen. Er tat es mit Freuden.
Aber wie groß war sein Zorn, als er die Töpfe, anstatt mit
blanken Dukaten, nur mit Steinen gefüllt fand. Doch wollte er sich
nicht bloßstellen und richtete nun den neuen Herd her. Dann aber
nahm er sein Gepäck und verschwand aus der Gegend, ohne sich vom
Bauern zu verabschieden.
Dieser aber lachte sich fröhlich ins Fäustchen, daß er
dem Welschen, welcher ihn um den vom Urahndl hinterlegten Schatz bringen
wollte, zuvorgekommen war.
Sagen aus der grünen Mark, Hans von der Sann, Graz 1911