SAGEN VON DER HERZOGIN MARGARETA MAULTASCH
Eine der merkwürdigsten Frauen war die Herzogin Margareta von Tirol, von ihrem Schlosse
Maultasch bei Terlan kurzweg Margareta Maultasch genannt. Sie wurde im Jahre 1316
geboren und starb im Jahre 1379. Wie die Sage erzählt, führte sie Krieg mit den Herzögen
von Österreich, wobei sie auch mehrere Ortschaften und Burgen in Steiermark
belagert haben soll.
Unter anderem kam sie auch vor das Schloß Seggau, welches damals von Riesen bewohnt war.
Zur selbigen Zeit war nämlich die Gegend von Wildon ein großer See. Die Herzogin ließ
nun diesen See ableiten, wodurch die Gegend von Leibnitz überschwemmt wurde und die
Riesen zugrunde gingen. Letztere hatten zuvor ihre reichen Schätze, welche sie
bisher in ihrem Schlosse Seggau aufbewahrten, bei der alten römischen Stadt Mureola zwischen
Landscha und Leibnitz in einem großen Hügel vergraben; der Schlüssel zu dem
unterirdischen Gewölbe in demselben soll noch irgendwo im genannten Schlosse sich
befinden. Nachdem Margareta Maultasch ihr Zerstörungswerk vollendet und die Gewässer sich
verlaufen hatten, war dann das schöne Sulmtal trockengelegt worden.
Auch das Raubschloß Rohr, welches ebenfalls von wilden Leuten bewohnt gewesen, und
die damals an der Mur gelegenen Städte Haslach und Mureola wurden bei dieser Gelegenheit von
der Herzogin Margareta Maultasch zerstört.
Bei diesem Kriegszuge, den sie von Kärnten aus über das Gebirge her unternommen hatte, kam
Maultasch auch vor die Stadt Voitsberg, welche damals noch einmal so groß gewesen und
weit ins Tal hinab bis Krems gereicht haben soll, und zerstörte sie; ein in einer Kapelle
eingemauertes Bild, welches die kriegerische Herzogin darstellt, erinnert an
diese Begebenheit.
Ein gleiches Schicksal ereilte auch die nahe gelegene Burg Greißenegg, deren Bewohner,
um die Herzogin zu täuschen, den letzten Rest ihrer Lebensmittel in einer Eselshaut über
die Verteidigungsmauern hinabließen. Doch Margareta Maultasch setzte die Belagerung
fort, eroberte die Burg und zerstörte sie.
Nachdem auf ihrem weiteren Kriegszuge auch das Frauenstift Göß hart mitgenommen und
die Kirche daselbst niedergebrannt worden war, zog Margareta Maultasch den Lauf der
Mur aufwärts und belagerte Knittelfeld. Doch konnten ihre Kriegsknechte dem mit
Mauern und Türmen wohlverwahrten Städtchen nichts anhaben, denn die tapfere
Bürgerschaft wußte nur zu gut, daß sie durch ihren Widerstand sich der furchtbarsten
Rache der unversöhnlichen Herzogin preisgebe, wenn es dieser gelänge, die Stadt zu
erobern. Deshalb waren die Bürger aufs äußerste zur Verteidigung ihres Herdes, ihrer
Familien entschlossen und schlugen nicht nur alle feindlichen Stürme tapfer ab,
sondern machten auch, meist nur mit derben Knitteln bewaffnet, bei günstiger Gelegenheit
einen Ausfall und jagten die Belagerer in die schimpfliche Flucht. Aus dieser Zeit
her soll auch der scherzweise gebrauchte Ausdruck "Knittlingen" für Knittelfeld stammen.
Nun wollte sich Margareta Maultasch für die schimpfliche Niederlage an dem südlich vom
Markte Weißkirchen gelegenen Schlosse Eppenstein, welches die Wiege eines berühmten, schon
erloschenen Geschlechtes, der Gaugrafen von Mürztal, Avelanz und Eppenstein, gewesen,
rächen. Aber die Belagerten wußten die kriegerische Herzogin und ihre Scharen zu
täuschen. Nachdem nämlich sämtliche Vorräte im Schlosse schon fast verzehrt waren,
hetzten die Verteidiger den letzten Ochsen, den sie noch besaßen, und quälten ihn
derart, daß er fürchterlich brüllte, und Maultasch vermeinte, es sei im Schlosse noch
Schlachtvieh in Menge vorhanden, weshalb sie die Belagerung aufgab.
Sie zog nun das Murtal aufwärts und wollte die Stadt Murau und das Schloß Ober-Murau
in ihre Gewalt bringen, was ihr aber ebenfalls nicht gelang. Als sie dann ihre
Scharen gegen die Cäcifenkirche bei Murau jagte, wollte ihr Pferd, auf dem sie ritt,
auf einmal nicht mehr weiter, und darüber ergrimmt, schleuderte sie ein Hufeisen nach
dem Gotteshause, an dessen Tür dann dasselbe hängen blieb.
Während nun Margareta Maultasch Murau zu bezwingen versuchte, tat ihr der Ritter
von Chalons, ein Abkömmling des fränkischen Edelknaben Charlot von Chalons und
einer der Töchter des von Karl dem Großen besiegten Sachsenfürsten Wittigist, welche
in die Gegend zwischen der Enns und der Mur geflohen waren und hier in der
Puchserhöhle eine Zufluchtsstätte gefunden hatten, durch nächtliche Überfälle und
rastlosen kleinen Krieg gewaltigen Abbruch und minderte so den unwiderstehlichen
Schrecken ihres Namens. Margareta schwur nun blutige Rache.
Mit ihren Kriegsscharen umgarnte sie das uneinnehmbar scheinende Höhlenschloß in
der Puchserwand. Da dieses ihren Knechten eine Zauberburg und der Kampf dawider
ein ungleicher, ängstlicher Spuk zu sein schien, so versuchte die Herzogin, Chalons,
wie das Felsenschloß hieß, durch Hunger zu bezwingen, um so zu verhindern, daß es
Lebenden fürder mehr ein Wohnort, dem herausfordernden Trotz ihrer Feinde ein
sicherer Hort sei. Als der Ritter von Chalons die Absicht der feindlichen Gräfin von
Tirol durchschaute, verlor er den Mut und den Glauben an die Treue der Seinigen. Er
fürchtete das Los mancher seiner Nachbarn, von den eigenen Knechten der Rache der
unversöhnlichen Herzogin ausgeliefert zu werden, entfloh deshalb durch den langen,
unterirdischen, im Wölzertale gegenüber dem Städtchen Oberwölz ausmündenden Felsengang.
Und als dann der Herr verschwunden war, tat das verwaiste Höhlenschlößlein
Chalons den Kriegsknechten der Herzogin seine dunklen Pforten auf, und diese zerstörte
es bis auf den Grund.
Nun wollte Margareta Maultasch nochmals gegen Murau ziehen. Da fiel der tapfere Ritter
Friedrich von Teuffenbach mit einem Haufen geübter und wohlbewaffneter Reiter über
die Kriegsknechte der Herzogin her, brachte ihnen eine große Niederlage bei und
verfolgte, von dem Fußvolke benachbarter Ritter unterstützt, sie bis gegen die Grenze
Kärntens hin. Noch erinnern die herrschaftliche "Kling-" und die "Blutwiese" an
diese Heldentat des kühnen Teuffenbachers. Erstere Wiese hat ihren Namen von den
Klingen oder Schwertern der Teuffenbachschen Reiter, letztere von dem Blute, womit
hier die gefallenen Kriegsknechte der Margareta Maultasch den Boden gefärbt hatten;
auch die noch üblichen Benennungen "Blutgraben" und "Blutratte" rühren von
diesem Kampfe her.
Nach dieser Niederlage soll dann die Herzogin Margareta Maultasch sich ins feste Schloß
Dürrenstein geworfen, daselbst lange Zeit gehaust und von hier aus die Gegend unsicher
gemacht haben.
Sagen aus der grünen Mark, Hans von der Sann, Graz 1911