MARIA SVETINA
Graf Friedrich 11. von Cilli war auf seiner Reise nach Rom unterwegs vom Markgrafen von Verona gefangen genommen worden. Er gelobte, wenn er aus des Welschen Haft befreit würde, der heiligen Mutter Gottes auf einem seiner Güter eine prächtige Kirche zu erbauen. Als er nun wirklich bald darauf vom Grafen von Görz um eine bedeutende Summe losgekauft worden war, beeilte er sich, sein gemachtes Gelübde zu erfüllen.
Derselbe Meister, der auf des Grafen von Cilli Geheiß schon manches Gotteshaus erbaut hatte, sollte auch diese Kirche aufführen. Er schritt rüstig ans Werk und vollendete den Bau glücklich. Aber Graf Friedrich war mit demselben nicht zufrieden; die Kirche schien ihm, da sie aus Tuffstein aufgeführt worden, zu dunkel, viel zu dunkel; vielmehr sollte sie nach seinem Willen licht und hell von der Bergeshöhe ins Tal hinableuchten. Deshalb befahl er dem Meister, die Wände innen und außen mit Mörtel zu bewerfen und zu übertünchen. Doch der Meister weigerte sich, diesen Befehl auszuführen; er wollte den schönen Bau nicht verunstalten und sagte deshalb dem Grafen, der Tuffstein hielte den Mörtel nicht.
Darob ergrimmte der Graf von Cilli und befahl, den störrischen Meister ins Burgverlies zu werfen und ihn darin so lange gefangen zu halten, bis er anderen Sinnes sein würde. Geduldig ertrug der Arme sein Geschick. Da erschien ihm im dunklen Kerker die heilige Jungfrau und ermunterte ihn, standhaft auszuharren; es werde ebensowenig der Mörtel an den Wänden der ihr geweihten Kirche halten, als jemals das Schwert des Grafen die Brust des Meisters durchbohre.
Als nun der noch immer erzürnte Graf einmal den Baumeister vor sich bringen ließ, ihm seine Störrigkeit vorhielt und ihm drohte, er werde es ihn schwer büßen lassen, wenn seine Worte sich als unwahr erwiesen, da sagte der Gefangene dem Gestrengen, es werde ebensowenig der Mörtel an der Wand haften, als ihm der Graf mit dem Schwerte die Brust zu durchbohren vermöge.
Über diese Worte erzürnte der Graf höchlichst. Er ergriff sein Schwert und zückte es gegen die Brust des Meisters. Aber dieser wich nicht zurück und zuckte nicht, und siehe da! Das Schwert glitt an ihm ab, fuhr gegen die Wand und zerbrach.
Erstaunt wich der Graf zurück. In diesem Augenblicke traten Leute in das Gemach und erzählten, sie hätten es auf des Grafen Befehl versucht, die Wände der Kirche mit Mörtel zu bewerfen und mit Kalk blendend weiß zu übertünchen, aber da sei ihnen zu Svetina im grünen Waldesdunkel die heilige Jungfrau, von himmlischem Glanze umflossen, erschienen und habe ihnen geboten, von der Arbeit abzulassen, denn sie wolle es nicht, daß das ihr geweihte Gotteshaus in ein lichtes, helles Gewand gekleidet werde. Und weiters berichteten des Grafen Leute, daß wirklich alle ihre Arbeit bisher vergeblich gewesen, daß aller Mörtel von den Wänden herabgefallen sei, und daß die Kirche wieder ihre dunklen Gesteinsfarben wie früher zeige.
Sprachlos und erschüttert hatte der stolze Graf diesen Worten zugehört. Jetzt ging er auf den Meister zu und bat ihn um Vergebung für die Unbilden, die er ihm angetan hatte. Der Meister zeigte keinen Groll; er erzählte seinem Herrn, wie ihm im Kerker die seligste Jungfrau mit dem Jesukindlein auf dem Arme erschienen sei, ihn getröstet und ihm die Kraft verliehen habe, standhaft zu bleiben. Darauf wallte nun Graf Friedrich von Cilli barfuß und unbedeckten Hauptes zu der von ihm erbauten Kirche und tat Buße, auf daß ihm sein Frevel vergeben werde.
Schon längst, seit mehr denn als vierhundert Jahren, ist der mächtige Stamm der Grafen von Cilli erloschen; einzelne Knochen und Schädel, zu Cilli in der deutschen Kirche in einem Glasschranke aufbewahrt, sind die wenigen, von diesem einst so starken und tatkräftigen Adelsgeschlechte verbliebenen Überreste. Selbst ihre Stammburg liegt in Trümmern, aber noch steht die Kirche Maria Svetina, und es erzählt die fromme Sage die wunderbare Begebenheit von ihrem Baue.
Sagen aus der grünen Mark, Hans von der Sann, Graz 1911