SAGE VON OFFENBURG

Im freundlichen Pölstale liegen am Abhange des Offenburgerberges die Ruinen des zu Beginn des letzten Dezenniums des 16. Jahrhunderts abgebrannten und seither nicht mehr aufgebauten Schlosses Offenburg. Das Schloß, welches, nach den Ruinen zu urteilen, einst sehr fest und ausgedehnt gewesen sein muß, war im 12. und 13. Jahrhundert der Stammsitz des gleichnamigen Adelsgeschlechtes und kam dann in den Besitz der Familien Sidenitz, Landau und Schärfenberg. Die Aussicht von diesen Ruinen in das Pölstal ist eine außerordentlich freundliche, doch der schlichte Landmann meidet gerne diese Überreste einstiger Herrlichkeit, denn es soll da nicht recht geheuer sein. Auf dem zu dieser Trümmerburg führenden steilen Wege war der Tradition nach in früherer Zeit eine Pechleuchte zur Erhellung der nächsten Umgebung angebracht, wovon noch einige Spuren vorhanden sind. Errichtet wurde diese Pechleuchte anläßlich der vielen Unglücksfälle, die in der Nähe vorgefallen waren. Eine gespenstische Erscheinung führte die Wanderer irre, so daß sie verunglückten und jedermann sich endlich scheute, den Offenburgerberg zu besuchen. Die gespenstische Erscheinung sollte ein einstiger Besitzer sein, der für seine gotteslästerlichen Frevel bestraft wurde und nach dem Tode als ruheloser Geist so recht nach alter Geistersitte umherirrte, die Lebenden neckend und schreckend.

Ein Burgherr auf Offenburg war nämlich ein gar grausamer Herr, der allerlei gotteslästerlichen Frevel getrieben hatte. Einst stieg er in den Wagen, der seiner vor dem Tore wartete, um einen benachbarten Ritter zu besuchen. Als er nun über den Schloßhof fuhr, ertönte aus einem abgelegenen Trakte, wo sich die Schloßkapelle befand, ein Glockenklang; es war das Zeichen, daß eben der die Messe lesende Priester die heilige Wandlung verrichtete. Der Burgherr im Wagen schalt und wetterte, drückte sich das Barett tiefer in die Stirn und befahl dem Kutscher, schnell über den Schloßhof zu fahren. Dieser aber folgte seinem Gebieter nicht, sondern stieg vom Wagen, entblößte sein Haupt, kniete nieder und betete. Der Burgherr wütete über den Ungehorsam seines Dieners und dessen Frömmigkeit. Der Kutscher aber hatte dafür taube Ohren und stand erst wieder auf, als die Wandlung vorüber war. Der ergrimmte Edelmann drohte, ihn bei seiner Nachhausekunft auf das strengste zu bestrafen; jener aber hoffte von der frommen Burgfrau, daß sie ihm nichts werde zuleide tun lassen, und fuhr daher unbekümmert um seines Gebieters Zorn weiter. Da riß ein heftiger Windstoß dem Kutscher den Hut vom Kopfe und trug ihn davon. Er stieg ab und eilte demselben nach. Als er denselben erreichte und nun zum Gefährte zurückgehen wollte, bot sich ihm ein schrecklicher Anblick dar. Der Burgherr stand im Wagen und hielt fluchend die Zügel der Pferde an, welche im rasenden Galopp den steilen Bergabhang hinabsetzten. Auf einmal öffnete sich die Erde, Flammen schlugen empor, und Roß und Wagen samt dem Burgherrn verschwanden. Entsetzt eilte der Kutscher in das Schloß Offenburg zurück und erzählte der Burgfrau das Geschehene, welche darin eine Strafe des Himmels erblickte, die ihren Gemahl gerechterweise ereilt hatte.

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Eine andere Sage erzählt, daß der letzte Offenburger ein furchtbarer Raubritter gewesen sei. Reisende plündern und morden zu können, war seine Lust. Erließ bei seinem Schlosse einen sehr hohen Wartturm bauen, von welchem aus er das ganze Pölstal übersehen konnte. Ein Gleiches tat auch sein Freund, der benachbarte Ritter von Sauerbrunn, mit dem er in Gemeinschaft auf den Landstraßen die Kaufleute, die mit ihren teueren Waren des Weges daherzogen, ausraubte. Von dem einen Turrne konnte man den anderen sehen, und durch Signale verständigten die sauberen Mordkumpane einander, wenn eine reiche Beute in Aussicht stand. Einmal hatte der Offenburger den Sauerbrenner zu sich geladen. Die beiden saßen mit noch mehreren anderen befreundeten Raubrittern beim schwelgenden Gastmahle. Neue Raubzüge wurden dabei ausgedacht, gotteslästerliche Reden wurden geführt, und schließlich gab man sich dem wilden Tanze und Spiele hin. Plötzlich, es war gerade Mitternacht, ertönten drei heftige Schläge am äußeren Burgtore. Der Lärm im Saale verstummte, und alle, selbst die Ausgelassensten, erbleichten, denn die Schläge waren bekannt, sie waren das Zeichen der heiligen Feme, vor der es selbst den wildesten Gesellen graute und bangte. Nur der Offenburger hatte die Fassung nicht verloren und er rief höhnische Worte zum Fenster hinaus. Auf einmal hörte er vor dem inneren Burgtore heftiges Pferdegetrappel. Der Torwart trat hierauf in den Saal und meldete die Ankunft eines fremden Ritters in schwarzer Rüstung und auf schwarzem Pferde, der den Offenburger heraus auf den Burgplatz entbieten lasse. Der Offenburger rüstete sich, leerte dann noch eirural einen großen, vollgefüllten Humpen in einem Zuge aus und stürmte kampfbereit auf den Burghof hinab. Gleich darauf vernahmen die im Trinksaale Zurückgebliebenen heftiges Schwertergeklirre, das aber nur kurze Zeit dauerte; sodann hörten sie den Offenburger um Hilfe schreien, und durch die Saalfenster erblickten sie gewaltigen Feuerschein, der ringsum die ganze, ins nächtliche Dunkel gehüllte Gegend erhellte. Erschreckt eilten sie an die Fenster und bemerkten mit Entsetzen, wie der fremde, schwarze Ritter, von bläulichem Scheine umgeben und auf einem schwarzen, feuersprühenden Rosse sitzend, den Offenburger von seinem Pferde riß, mit den Armen umfaßte, hierauf mit riesigen Sätzen den steilen Abhang des Schloßberges hinabsprengte und am Fuße desselben in einem feurigen Schlunde verschwand. Gleichzeitig erbebte der Schloßberg, so daß die Feste in ihren Grundmauern auf das heftigste erschüttert wurde; alles eilte hinaus, Gesinde und Gäste, und gleich darauf zerfiel das stattliche Schloß in Trümmer.

So lautete die Sage vom letzten Offenburger, den der Teufel geholt hatte.

Sagen aus der grünen Mark, Hans von der Sann, Graz 1911