Sagen aus dem Achenseegebiet


Von Hans Klingler

Vom Achensee selbst erzählt man sich, dass er unergründlich tief sei und alle Jahre „gespeist" werden müsse, nämlich mit einer geweihten Hostie. Wenn er zu lange nicht „gespeist" würde, breche er aus und überschwemme das Inntal. Auch fange er an, zu „büllen" (brüllen). (Tiroler Bauernzeitung, 15. 6. 1923, Nr. 24, S. 6.)

Der See soll unterirdische Zuflüsse haben, denn in trockenen Zeiten versiegen fast alle Zuflüsse und Bäche, die ihn speisen und dennoch sinke der Seespiegel nur langsam. Auf die ebenfalls verborgenen Abflüsse verweist das in allen Achenseeschilderungen erwähnte Ereignis beim Erdbeben von Lissabon am 1. November 1755. Selbst Einheimische wissen davon zu erzählen. Der See soll nämlich zur selben Zeit, als das Erdbeben die große Stadt verwüstete, in wilden Wogen geschäumt haben und schnell ungefähr 1,20 m gesunken sein. Man konnte vom Zollhaus am nördlichen See-Ende trockenen Fußes auf das andere Ufer gehen. Der Ausfluss des Sees hörte ganz auf. Erst nach 24 Stunden füllte er sich wieder auf seinen gewöhnlichen Stand.

Zwei weitere Sagen beziehen sich auf den See:

Unweit von Pertisau, auf der Alpe Pletzen (Pletzach), war ein Senner, der „Gruaba Bua" genannt, ein weit und breit bekannter verwegener und kühner „Robler". Die Alm gehörte seinem Vater. Die Senner der dortigen Gegenden pflegen an Sonn- und Feiertagen gern in die nahe gelegene Wallfahrtskirche zur hl. Notburga nach Eben in die Messe zu gehen. Der Pletznersohn ging auch zur Messe, dann aber in das Wirtshaus, wo er oft bis in die Nacht sitzen blieb, dort robelte, fluchte und übermäßig trank.

Als er einmal zu lustig wurde, sagte der Wirt zu ihm: „Hansei, Hansei, dass Dir am Hoamweg koa Unglück passiert. Solch Saufen, Raufen und Fluchen, wie Du es an Dir hast, tut niemand Glück bringen. Es ist schon finstere Nacht, drum mach' Di hoam und hab guate Gedanken." Drauf lachte der „Gruaba Bua" so wiehernd wie ein junges Ross, trank und fluchte noch eine Weile und ging. Als er so lustig bei Maurach am linken Seeufer gegen Pertisau dahin schritt, stand er auf einmal im See und wusste nicht, wie. Das Wasser schwoll und stieg ihm herauf bis zur Leibesmitte. Zum Gluck war er bei voller Besinnung, aber die Lustigkeit verging ihm. Er wollte zum Ufer zurück, aber rings um ihn wurde es immer tiefer und tiefer, so dass er froh war, als er seinen früheren Standort wieder erreichte. Da stand er nun und schrie um Hilfe, bis er ganz heiser war, aber niemand hörte ihn. Von 10 Uhr abends bis morgens um vier stand der Bub im Wasser und war wie gefroren, obwohl es schon Jakobi war. Da läutete in dem kleinen Kirchlein zu Pertisau die Aveglocke und weg war das Wasser, weitab lag der See und der Hansei stand im Trockenen. Er rieb sich die Stirn und konnte nun seiner Wege gehen. Von da ab hat der Bub das allzu viele Fluchen und Saufen gemieden. (Tiroler Bauernzeitung, Nr. 24, 15. 6. 1923, S. 6.)

Auf der großen Alm Pletzach war eine gar saubere Sennerin, die einem jungen Bauern von der Pertisau nur zu wohl gefallen hat. Er ging einst um Mitternacht von der Alm vom Fensterln heim, als mit einem Male sich ein unheimlicher Dämmerschein auf die Berge breitete, während ein Brausen und Wogen so dicht um und neben ihm entstand, dass er staunend um sich blickte. Plötzlich stand er anstatt auf einer grünen Wiese bis an den Hals im See. Als er um sich sah, erblickte er rings um sich an einer langen Tafel eine Menge Hexen sitzen, die sich ein Mahl wohlschmecken ließen. Vor Kälte und Angst erbebend, wusste er sich nicht zu helfen, denn bei jedem Schritt fühlte er eine solche Tiefe, dass das Wasser über ihm zusammenschlagen würde. Er blieb daher lange Zeit unbeweglich stehen. Da fiel ihm ein, dass er ja ein geweihtes Skapulier bei sich habe. Er zog dasselbe hervor und rief die seligste Jungfrau Maria um Hilfe an. — Verschwunden war der See, an einem langen glänzenden Streifen zog sich die ganze Hexensippschaft dahin, wahrend er selbst, bis an den Hals durchnässt, vor seiner Haustüre stand, und nicht wusste, wie er in den See geraten war und wieder heraus und vor sein Haus. Jedenfalls dürfte der Bauernbub mit der Sennerin keinen Rosenkranz gebetet haben, sonst wäre ihm ein solcher Hexenspuk nicht untergekommen, welcher beweist, wie mächtig die Hexen verblenden können.

Einen früher geübten Brauch, das Aussegnen einer Wöchnerin, berührt folgende Sage:

Einmal ging eine Wöchnerin aus Pertisau, dem schonen Weiler am Achensee, nach Eben, um sich dort aussegnen zu lassen. Sie nahm trotz allen Zuredens keine Begleiterin mit und wanderte allein auf das Pfarrdorf zu. Mehrere Leute begegneten ihr und sahen ihr nach, denn ihnen ahnte nichts Gutes. Als die Wöchnerin zu dem Bachl kam, das den Weg zwischen Pertisau und Eben durchschneidet, verschwand sie plötzlich. Leute, die dies bemerkt hatten, eilten sogleich zum Bächlein und suchten die Verschwundene. Jedoch alles Rufen und Suchen war umsonst, die Bäuerin wurde nie mehr gesehen. (Ignaz Vinzenz Zingerle: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Tirol.)

Eine andere Sage berichtet vom Friedhof in Eben.

Der Vampir: Auf dem Gottesacker in Eben liegt ein Vampir, das ist ein Mensch, der nicht würdig ist, in geweihter Erde zu ruhen. Aus diesem Grunde wächst er im Grabe so lange, bis er unter der Friedhofsmauer in ungesegnetes Erdreich hinauskommt. Der Platz ist an der Mauer durch ein tiefeingehauenes Hufeisen bezeichnet, das noch niemand vermauern konnte. (Zingerle, a. a. O.)

Auch vom Putz, dem Furchterreger für Kinder weiß man zu erzählen:

Das Pützl in Eben: In Eben hielt sich beim Hause, das am Kirchweg steht, ein gar lustiges Pützl auf. Es trieb allerhand Unfug und warf den Kirchgängern Sand und Steine nach. Hatte es jemand getroffen, so lachte es hellauf. (Zingerle, a. a. O.)

Einige Sagen entfallen in das Almgebiet der Pertisau, durch die das Vieh im Frühjahr und Herbst durchzieht. Manche erzählt vom „Viehschelm", einem bösen Geist, der nach dem Aberglauben der Bauern an den in früheren Zeiten oft verheerenden Viehseuchen schuldtragend sein soll.

Feuriges Schwein: Von der Alpe „Talfay", welche in romantischer Schönheit in einem einsamen Bergtal über dem Achentaler See liegt, führt ein Viehsteig hinüber zur Kotalm. An diesem Weg sieht man in finsterer Nacht nicht selten ein flammendes, feuriges Schwein. Es rennt hin und her, mit großem Ungestüm, aber niemand weiß zu sagen, welche Bewandtnis es mit demselben hat. Es ist unerklärlich, wie die meisten Tierspuksagen. (Joh. Nep. Ritter von Alpenburg: Mythen und Sagen Tirols, S. 212.)

Vom Viehschelm im Achental

Es war im Jahre 1796, als die Hirten auf der Alm Falkenmosen über dem Achental die heulende Stimme des Viehschelms vernahmen, und aus diesem mörderischen Geschrei des Dämons alles Unheil für das ihnen anvertraute Vieh befürchteten. Das erstere ließ auch nicht lange auf sich warten: der Lungenbrand, Milzbrand oder fliegende Brand brach mit Heftigkeit unter dem Vieh aus. Da war nun im Dorfe Weerberg der Metzger Anderl, der glaubte weder an den Viehschelm noch an seine Macht, den Tieren eine Krankheit anzutun, hielt auch die Aussagen alter Leute, dass der fliegende Brand ein wirkliches, inneres Feuer sei, für eine abergläubische Märe und Fabel, und erbot sich spöttisch, diesen Brand als einen Unsinn zu beweisen und den Glauben an den Viehschelm als einen blinden Aberglauben darzutun. Sobald daher wieder eine Kuh an der verheerenden Seuche gefallen war, öffnete der Metzger ihr die Brusthöhle, fuhr mit der Hand hinein und fühlte innen bis zur Lunge. Kaum aber hatte Anderl diese berührt, so empfand er alsbald an seiner Hand ein Brennen und Beißen, als habe er sie in einen Nesselbusch gesteckt, welches Gefühl alsbald noch heftiger wurde. Es brannte, als stecke die Hand in einem Becken glühender Kohlen und rasch zog Anderl dieselbe nun aus dem Tiere und reinigte sich in einem Wassereimer. Aber gleichwohl schwoll ihm die Hand furchtbar auf und nachher schnell der ganze Arm und der Mann musste wahrhafte Höllenschmerzen leiden, ehe sichs linderte. Da ist dem Anderl der Glaube gekommen, zwar nicht vom Schauen, aber doch vom Fühlen. Er hat Gott gedankt, dass er mit dem Leben davonkam und Arm und Hand allmählich wieder gebrauchen konnte. Vom Viehschelm aber hat er sein Leben lang geschwiegen und nie gesagt: Er ist, oder er ist nicht. (Joh. Nep. v. Alpenburg, Mythen und Sagen Tirols, S. 75.)

Kasermandl mit dem Lehmkopf

In der Hinterriß, oder wie mans auch nennt, in den Hinterbächen der Riß liegt eine Alpe namens Stallis (nicht mit einer gegen das Inntal gelegenen gleichen Namens zu verwechseln, die dem Stifte zu St. Vinzenz gehört). Auf dieser lässt sich ein Almgeist oder Kasermandl blicken, dessen Kopf nicht anders aussieht, als sei er aus Lehm gegossen, aber nicht gebrannt. Hirten und Sennen, wenn sie melchten oder misteten, haben selbes Mandl oft gesehen, wie es übers Stallgatterl herüber mit seinem trockenen Lehmkopf ihnen zugeschaut und haben ihren Teil gedacht, ob es wohl anderwärts und draußen im Reich auch solche lehmerne Putzen geben täte? Schlimm hat es der Stallisalmputz, wenn es regnet. Da muss er „g'schleini" einen Unterstand suchen, damit ihm der Regen den Kopf nicht ab,,schwänge". Weshalb dieser arme Geist so büßen muss, weiß niemand, wahrscheinlich hat er im Leben mit dem Kopfe gesündigt, ist etwa ein Kopfschelm gewesen, deren es viele, sehr viele gibt, ein lehmtrockener Neidhammel, ein schmieriger Verleumder, ein Ehrabschneider oder sonst ein Gauner. (Wie oben, S. 163.)

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Ein ganzer Kreis von Sagen umspinnt den Ziereiner oder Irdeiner See im Sonnwendgebirge östlich des Achensees. Auch er soll, wie der Achensee, unergründlich sein. In seiner Umgebung sind Riesenspalten, Felsenhohlen und Knappenlocher in Menge. Sein geheimnisvolles Tiefblau im Verein mit seiner hohen, einsamen Lage machen den See wie geschaffen, das Sagengestaltungsvermögen des Volkes fruchtbar anzuregen.

Ein treffendes Bild vom Zireiner See malt Adolf Pichler in seinem Werke: „Aus den Tiroler Bergen", S. 242:

„... Hinter einem Steinblock hervortretend, überraschte mich der Ziereiner See, dunkel, unbewegt und düster lag er da, dass meine Seele plötzliches Grauen erfüllte. Der majestätische Charakter des Hochgebirges war hier gänzlich verschwunden, über die niederen, unfruchtbaren Höhen, wo nur einzelne magere Sträucher von Alpenrosen und Heidekraut ein kümmerliches Dasein fristen, lugte nirgends eine ferne Bergspitze, mir das Gefühl überwältigender Einsamkeit wehte mir entgegen, so dass ich mich nicht wunderte, wenn unsere Vorfahren unter ähnlichen Eindrücken hier die Anwesenheit eines Gottes ahnten. Es war zweifellos Hertha, die hier verehrt wurde. Darauf deuten manche Sagen, deren reizendste Züge zur Entstehung der Legende von Notburga Anlass gaben. Die sagenvolle Gegenwart der Göttin ist noch nicht erloschen, noch fließt in der Nähe des Sees das geheimnisvolle Goldbrünnlein, wo die Nidinger auf Steinberg ihren Reichtum holten, noch steht der schöne Bauernhof, den ein armer Hirte erbaute, dem sie ihre sichtbare Nähe gönnte. Am Tage der Sonnenwende trat sie ihm aus einem Felsen entgegen, und lud ihn ein, ihr zu folgen. Der Kühne gehorchte und gelangte in eine Grotte, von deren Decke wie Tropfsteine goldene Zacken niederhingen. Sie hieß ihn, eine als Andenken mitzunehmen! ..."

Die Fische des Sees haben Goldkörner im Magen. Ein Fischer baute sich einmal einen Kahn und angelte nach ihnen. Da tauchte eine ungeheure Schlange auf und drohte ihn zu verschlingen. Er warf ihr den Brotlaib, den er bei sich trug, in den Rachen und erreichte, während sie diesen verschlang, glücklich das Ufer. Einst wird der See ausbrechen und alles verwüsten. Um dies zu hindern, wurden im Kloster Mariatal Messen gestiftet. Er bleibt nun zwar in seinem Ufer, brüllt jedoch in der Johannisnacht so fürchterlich, dass man ihn weithin ins Zillertal und Brandenberg hört. Beim Herthadienst wurden die Sklaven, die ihr Bild gewaschen hatten, erwürgt. Vielleicht ist ein Nachklang dieser mystischen Gräuel in der mehrfach wiederholten Sage, dass Hirtenknaben auf der Höhe am See eingeschlafen seien, und als sie erwachten, so lagen sie, von unsichtbarer Hand geworfen, am Gestade und bis zur Brust im Wasser.

In seinem Grunde soll er dunkelschwarze Forellen bergen, gleich den sogenannten leckeren „Schwarzreitern" des Königssees. Neben dem See geht eine Höhle tief in das Felsgestein, die hohle Seehohle genannt. Wer sich hineinwagt, gelangt zu einem unterirdischen See, der manchen Schatz birgt und seit langen Jahren der Sitz eines Seefräuleins ist, von welchem viel erzählt wird. Etwas weiter davon liegt die Grauserhöhle, die ein weites, unheimliches und sehr verrufenes Felsengewölbe bildet und von der die Sage geht, dass jeder Sterbliche, der sich hineinwagt, mit einem Hagel von Steinwürfen, von unsichtbaren Händen geworfen, empfangen wird. Dort in der Nähe ist auch die Nixhohle, in der das sogenannte „weiße Nicht s (nix)", das nikulum album der Apotheker, zutage tritt, eine Art Bergmilch, kohlensaure Kalkerde, die, mit Zinkoxyd vermischt, früher auch als Augenheilmittel verwendet wurde. Ein großes ausgebrochenes Stück dieser „Bergmilch" ist getrocknet so leicht wie Magnesia, daher der Name „Nix".

Das Fräulein des Zireiner Sees hatte das ganze Ufer des Sees zu einem lieblichen Garten umgeschaffen, fremde Zierblumen gepflanzt, zierliche Grotten angelegt und mit Muscheln und Kristallen ausgeschmückt. Sie beschenkte nicht selten die Hirten auf den Nachbarahnen mit nützlichen Gegenständen. Die Forellen des Sees fütterte das Fräulein mit Goldkörnern. Ein Metzger zu Münster schwor hoch und teuer, dass auch die Kühe, die aus dem See tranken, Goldkörner bei sich führten. Die Schafe bekamen vom Trinken goldene Zähne. Ein Gamsjäger aus Münster, der oberhalb des Sees auf den Gamspaß ging, sah das Wasserfräulein in all ihrer Schönheit, wie sie die Blumen ihres Gartens goss und pflegte und bewunderte den irisfarbenen Perlenschimmer ihres Kleides. Auf einmal sah der Jäger aus einem Felsloche am Rande des Sees einen großen grünen Drachen herauskommen, der zuerst seinen klafterlangen Hals herausstreckte, dann ganz herauskroch und mit entfalteten Flügeln und aufgerissenem Rachen auf das Seefräulein losstürmen wollte. Wie das der Jäger sah, stieß er eine bekreuzte Kugel mit drei Ladstößen im Namen der Hl. Dreifaltigkeit in den Lauf seines Stutzens, legte an und schoss den Drachen mitten durch den Kopf, der sich tot vom Fels herab dicht zu des Seefräuleins Füßen hinwälzte. Der Jäger eilte hierauf voll Freude hinab. Das Seefräulein grüßte und dankte ihm gerührt, doch ohne Worte. Sie führte ihn in das Innere ihres Aufenthaltes, die Seehöhle, und zeigte ihm reiche Schätze, die sie für ihn bestimmte. Dann tauchte sie in die Tiefe unter. Der Jäger hat dann nach und nach großen Reichtum aus der Höhle getragen. Ob er auch glücklich geworden, davon wusste der Hirte von der Pangartalm, der die Sage erzahlte, nichts zu berichten. (Tiroler Bauernzeitung, Nr. 29, vom 16. 7. 1903, S. 16.)

Der Ziereiner See soll der Tiefe des Inntales gleichkommen, daher auch die Forellen in demselben nie abnehmen. Ein Hirte, der Einberger Franzl, trug einmal Käse von der Angeralm nach Reit. Auf dem Rückwege war er am See eingeschlafen. Nach einer Stunde war er schon mit den Füßen im Wasser und konnte sich nur durch schnelles Aufspringen und Davonlaufen retten.

Auch vom goldenen und silbernen Wagen, der im Ziereiner See liegt, weiß die Sage zu berichten. Einst senkten zwei Fischer ihr Netz in die Tiefe des Sees. Wie sie dasselbe herausziehen wollten, hatte es ein solches Zentnergewicht, dass sie es kaum bemeistern konnten. Endlich brachten sie es heraus und mit ihm einen goldenen Wagen. Nun dachte jeder der Fischer, seinen Kameraden in das Wasser zu werfen, sobald der goldene Wagen am Gestade wäre, um den Reichtum allein zu haben. Sowie dieser schändliche Gedanke in den Herzen der Fischer erwachte, die inzwischen mit vieler Mühe das Netz vom Wagen losgelöst hatten, wendete sich der Wagen ganz von selbst, und ohne dass sie imstande waren ihn zu halten, rollte er wieder in den See hinein.

Ein andermal sahen zwei Bauern, die zur rechten Stunde das Sonnwendjoch bestiegen hatten, den silbernen Wagen ganz deutlich und wollten ihn an der Kette, die am Strande lag, herausziehen. Bald aber hörten die Eisenringe auf und es kamen Glieder aus feinem Silber, endlich war die Kette aus rotem Golde. Wie das die Bauern sahen, kam es zu einer Streiterei, wer die kostbare Kette besitzen sollte, bis sie endlich gar zu raufen anfingen. Darauf versanken sofort Kette und Wagen.

Vor Jahren gingen zwei Männer aus Kramsach durch Voldepp aufwärts durch Mariatal und folgten dann dem Jochpfade, der zum Zireiner See führt. Als sie beim See anlangten, sahen sie eine Gestalt dabei sitzen und eifrig Schlamm aus dem See fischen. Es war ein Venediger Mandl. Wie es die näherkommenden Männer gewahrte, wurde es sehr unwillig, brummte und packte sein ganzes Gerät und Zeug zusammen, indem es damit davon eilte, ohne sich weiter um die beiden Männer zu kümmern. Dabei verlor es aber ein wenig von seinem Schlamm, der ganz seltsam glänzte. Die Männer hoben den verlorenen Schlamm auf und machten sich gleich daran, aus dem See Schlamm zu fischen, soviel sie nur konnten. Zum Schluss gingen sie über und über beschlammt nach Hause, in der Meinung, sie mussten wie Gold glänzen. Aber dem war nicht so. Zu Hause wurde der Fund verkündet und untersucht. Der wenige Schlamm, den das Venediger Mandl verloren hatte, enthielt Gold, aber der, den die Männer selbst gefischt hatten, war — Dreck. Natürlich wurden sie ausgelacht und ihnen der Rat gegeben, sich für das bisschen Gold einen Waschschwamm zu kaufen, zumal sich Schwamm auf Schlamm gut reime. (Tiroler Bauernzeitung, Nr. 29, vom 16. 7. 1923, S. 16.)

Selbst die weitverbreitete Pilatussage wird mit dem See in Verbindung gebracht. Vor langer Zeit sei Pilatus in den Sonnwendsee verbannt worden. Da muss er viele Qualen leiden, besonders in der Karwoche. Man hört den See brüllen, wie einen wilden Ochsen. (A. Heyl: Volkssagen und Bräuche aus Tirol.)

„Verzauberte Seelen": Vor langer Zeit mussten viele arme Seelen in den Sonnwendsee wandern, wo sie in Fische verwandelt wurden. Der ganze See ist voll dieser Fische und sie sollen von solcher Größe sein, wie sonst keine in unseren Bergen. Wenn sie einmal erlöst werden, dann trocknet der See ganz aus und von seinem Grunde kann man in das Innere des Berges hinabgelangen, das voll der goldenen Schätze ist. Und die Unterinntaler werden so viel des Goldes zutage fordern, dass man leicht davon 10 Pfund für ein Pfund Eisen zahlen wird. (Wie oben.)

Auf das nahe, schon erwähnte Sonnwendjoch weisen auch zwei Sagen:

„Die Fai vom Sonnwendjoch"

Einst ritt ein junger Ritter aus dem Schlösschen Mehrnstein über Mehrn zur Jagd ob jenem lieblichen Gelände und erblickte, nachdem er auf der Verfolgung eines Stück Wildes dem Fuße des Sonnwendjoches ganz nahe gekommen war, die Fai des Berges. Diese sehen und sich sterblich verlieben, war von seiner Seite eins. Auch die junge Fai trug ein fühlendes Herz im Busen, auch ihr gefiel der schmucke junge Rittersmann. Die Fai, die an äußerem Liebreiz völlig einer „Saligen" glich, schien auch, gleich den saligen Fräulein, eine Schirmhüterin des Waldes zu sein; denn sie gebot dem Ritter, von der Verfolgung desselben für immer abzustehen, wenn er wünsche, dass sie ihm ihre Gunst schenken solle. Die Fai führte hierauf den Ritter in ihr Reich ein, darin es des Herrlichen viel zu schauen gab, wunderbar rieselnde Quellen, friedlich weidende Tiere, wie verblühende Blumen, Grotten und Säle von Kristallsäulen getragen, mit Decken und Wänden von spiegelndem Marmor. Es schloss sich ein Bund der Herzen und der Ritter empfing von der Fai ein Ringlein zum Pfande ihrer holden Gunst. Oft ritt er nun scheinbar zur Jagd aus, aber nie brachte er ein Stück Wild heim. Das wunderte seine Umgebung, denn er war doch sonst ein guter Schütze und gewandter Jäger und hatte schon manchen Bären oder Eber mit sicher geführtem Jagdspeer gefällt. Auch fiel es auf, dass der Mehrnsteiner die benachbarten Höfe mied und unvermählt bleiben zu wollen schien. Da geschah es, dass der Burgherr auf Schloss Rattenberg ein Vermählungsfest feierte, zu dem er auch seinen Freund, den Mehrnsteiner, einlud, welcher diese Einladung wohl nicht absagen konnte. Daher erschien er denn und leider geschah dann noch mehr. Ein auch als Gast anwesendes Fräulein aus Innsbruck bestrickte den Ritter und schmeichelte ihm das Ringlein der Fai ab, das sie an seinem Finger funkeln und glänzen sah. Von Minne betört, gab der Ritter das Ringlein hin, ohne dass ihm dafür der erhoffte Lohn zuteil ward. Von Scham und Reue über seine Treulosigkeit ergriffen, eilte am frühen Morgen der Ritter zum Fuße des Sonnwendjoches. Da sah er, wie vor ihm her ein weißes Reh sprang und von Jagdlust ergriffen, verfolgte er es. Das Reh aber floh bis zu der ihm wohlbekannten Stelle, an der durch Anklopfen mit dem Ringlein an die Felswand sich ein Tor öffnete, das den Eingang in das Reich der Fai verschloss. Erschrocken stand der Ritter vor dem starren Fels, denn er hatte ja das Ringlein nicht mehr. Plötzlich stand die Fai vor ihm, würdevoll, ernst, nicht zürnend, aber trauernd. Sie hielt das Ringlein in der Hand.

„Du bist nicht treu", sprach sie, „du schwurest, stets nur an mich zu denken, mein Ringlein nie in eine andere Hand zu geben, nie eines meiner Tiere zu verfolgen, und dreifach brachst du mir dein Wort. Fahr wohl!" Die Fai verschwand und der Ritter fuhr nicht wohl. Kaum hatte er die Stelle bestürzt verlassen, so stürzte eine Mur von der steilen Bergwand und überschüttete donnerprasselnd mit zahllosem Gestein eine weite Strecke. Darauf ist der Ritter sehr traurig geworden, aus seiner Heimat weggezogen, sie sagen nach dem Hl. Lande, und niemals wieder heimgekehrt.

Das Venediger Mandl auf dem Sonnwendjoch

Vor alters kam alljährlich ein dunkel gekleidetes Männlein aus Venedig, welches, wie es viele seinesgleichen im Brauch hatten, Goldstufen und Goldsand, ja auch Goldstaub aus den Quellen und Bächen sammelte und stets bei letzteren in den Talengen, besonders am Sonnwendjoch, arbeitete. Es kam im Frühjahr, zog im Herbst ab, und war ein gutmütiges, stilles Mandl. Es blieb jedes Mal, wenn es heimreiste, beim Senn in der nahen Kotalpe über Nacht. Es traf sich einst, dass dieser alte, ehrliche Senn starb und an seine Stelle ein verschmitzter Bösewicht kam. Als nun das Venediger Mandl wieder wie gewöhnlich zum Nachtlager zukehrte, wollte es der neue Senn in der Nacht umbringen, um sich dessen Reichtum anzueignen. Der Hirtenbub aber wusste den Schatzgräber zu warnen, so dass sich dieser retten konnte. Seit dieser Zeit kam das Venediger Mandl nicht mehr.

Der Hirtenbub wurde später Knecht im „Isarwinkel" in Bayern. Da traf ihn das Los, dass er einberufen wurde und nach Italien marschieren musste. Sein Regiment wurde nach Venedig verlegt. Nach einigen Tagen schlenderte der Soldat am Canale grande entlang, als er aus einem Fenster des ersten Stockes beim Namen gerufen wurde und man ihm hinaufzukommen winkte. Er stieg sogleich über die breite Marmortreppe empor, wo ihn ein edler Venediger in schwarzer Samtkleidung empfing, der ihn in ein wundervoll prächtiges Zimmer führte und sprach: „Ihr habt vor Jahren einem Venediger auf der Kotalpe das Leben gerettet; Ihr sollt nun belohnt werden, daher sollt Ihr alles haben, was Ihr wollt!" „Lasst das gut sein, lieber Herr, ich tat nur meine Pflicht, dafür wird der Himmel sorgen, ob ich Lohn verdiene oder nicht." Diese Antwort schien den Venediger sehr zu erfreuen. Er nahm den Jüngling bei der Hand und sprach: „Das zeigt mir, dass du ein echter Tiroler bist." Er ging nun in ein Nebenzimmer und kam bald darauf ganz so wieder heraus, wie er als „Venediger Mandl" auf der Kotalpe aussah. Der Soldat erkannte ihn nun und hatte große Freude und wurde zutraulich. Nun wiederholte der Venediger abermals das Anerbieten von Geld und Reichtum, aber der Soldat lehnte es wieder ab und sagte: „Gesundheit und Zufriedenheit ist mein Reichtum und diesen wird mir der liebe Herrgott bescheren, so lange er es für gut befindet. Einen schönen Wunsch aber hätte ich wohl, und dieser wäre, dass ich vom Militär, ohne fahnenflüchtig zu werden, nach dem Isarwinkel fahren konnte, wo ich mein Schatzerl habe, ein Mädel wie Milch und Blut."

Der Venediger hatte diesen Wunsch kaum gehört, als er sogleich ein weißes Tuch brachte, in welches ein Mantel gehüllt war. Er nahm den Mantel heraus und legte ihn dem Soldaten über den Rücken. Dann breitete er noch das weiße Tuch darüber. Auf einmal fühlte der Soldat sich in die Luft gehoben. „Grüß mir deinen Schatz!" hörte er den Venediger noch rufen. Pfeilschnell flog er aus den hohen Fensterbogen, wie sie in Venedig gebräuchlich sind, fort. Das weiße Tuch breitete sich aus wie eine Wolke, trug ihn sanft und ließ ihn bei dem Hause seines Mädchens nieder. In der Manteltasche fand sich ein reicher Brautschatz. Das Glück verließ den Burschen nimmer. Er wurde bald ein glücklicher Gatte, kaufte sich vom Soldatenstande los und hat sein Abenteuer oft genug erzählt.

Die beiden Wildschützen

Es war an einem heiligen Christabend, als zwei Wildschützen aus Eben im Achentale verabredeten, auf die Hahnbalz ins Sonnwendgebirge zu gehen und dort einen Spielhahn (Birkhahn) zu schießen, dessen Stand sie erkundet hatten. Um aber dem Jäger auszuweichen, wählten sie den Christtagmorgen, wo sie letzteren in der Kirche wussten. Sie gingen ohne heilige Messe an diesem hohen Feiertage auswärts, jeder einen anderen Weg, um womöglich auch auf diese Art noch mehr schießen zu können und machten Verlass, auf einer bestimmten Alpe sich zu finden. Der eine stieg schon am Christabend zu Berge und blieb auf jener Alpe über Nacht, welche beide als Sammelplatz verabredet hatten. Er legte sich auf die Herdbank in der Kaser neben das angezündete große Feuer und schlief bald ein. Um Mitternacht weckte ihn ein schrecklicher Lärm, die Tür sprang auf und ein wilder schwarzer Stier mit glühenden Augen — der kein anderer war als der Teufel — sprang herein. Der Wilderer mochte sich bekreuzigen und beten, so viel er wollte, es nützte nichts, die wilde Bestie stieß ihn so lange mit ihren Hörnern herum, bis er wie tot liegen blieb, dann ging sie wieder fort. Am Morgen erwachte er endlich aus einer Fieberbetäubung, konnte sich aber nicht rühren. Da hörte er draußen seinen Kameraden, den anderen Wilderer ächzen, rehren (weinen) und jammern und sah ihn bald darauf auf allen Vieren, blutig und zerschlagen und arg zerkrazt in die Kaser kriechen. So lagen sie stundenlang beisammen und mit Mühe erzählte der Letztgekommene dem anderen sein Erlebnis. Er ging im Morgengrauen den Pfad auf den Berg, den er wohl hundertmal schon gegangen, gegen das Alptal hinein. Wie er meinte, bald an Ort und Stelle zu sein, sah er sich in ganz unbekannter Gegend und glaubte schier auf eine „Irrwurzel" getreten zu sein und strengte sich an, den rechten Pfad zu finden. Plötzlich aber sah er eine gelbrötliche und schauerliche Beleuchtung der Gegend und zugleich drei grüne Jäger daherkommen, von denen jeder ein langmächtiger Schweif hinten hinaus wackelte und die mit Geisfüßen auf ihn zurückten. Da fing er wohl Kreuzmachen und Johannissegen zu beten an, aber vergebens, er hatte keine Messe gehört und keinen Weihbrunnsegen genommen, daher fassten ihn die Jäger und schlugen und stießen auf ihn los, bis er mit einem Mecker zu Boden fiel, die Teufel aber gingen mit einem Höllengelächter von dannen und jener blieb lange ohnmächtig liegen. Zum Überfluss kam noch ein Teufelswetter über ihn. Es hagelte ihm Beulen zu den anderen ins Gesicht, und Schnee deckte ihn zu. Das brachte ihn wieder zum Bewusstsein und jetzt sah er staunend, dass er ganz nahe der Kaserhütte liege, rieb sich die Augen und wusste nicht, träumte er oder war er verhext, doch die Schmerzen erinnerten ihn an das, was geschehen war und so kroch er zur Hütte hinein. Die Wilderer konnten alle zwei sich nicht helfen und wären verhungert, wenn nicht ein Knecht, von dem Bauern, dem die Alpe gehörte, zufällig hinaufgekommen wäre. Sie wurden dann heimgetragen und lagen lange krank. Seitdem gehen sie an keinem Sonntag oder Feiertag schießen, bevor sie nicht zuerst Gott die Ehre gegeben und den Gottesdienst besucht haben, wie es Schuldigkeit ist.

Allerlei Sagen aus Pertisau

Bösen Kindern ruft man zu: „Jetzt kommt der Putz" oder auch „Es holt dich der Ganggerl" oder „Klaubauf"! Auch die „Habergeiß" (Nachteule) bildet einen Kinderschreck. Wer sie des nachts rufen hört, duckt sich ängstlich unter die Decke.

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Wenn im Herbst die Zugvögel ihre Reise antreten und vielleicht gerade eine Schar Kraniche unter Schnurren hoch in der Luft vorbeifliegt, so sagt der Bauer: „Der Älperer ist abgefahren." Damit meint er einen Almgeist, der mit dem Vieh kommt und geht.

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Geistern tuts bei den abergläubischen Leuten überall. Im Zimmer, auf der Scheune, im Keller und besonders auf dem Dachboden poltert es in einem fort. Bevorzugte Geisterbehausungen sind natürlich alte leerstehende Gebäude und zerfallene, einsame Hütten. So eine verrufene Stätte war die Badstube bei Seespitz, in der früher Flachs gebrochen wurde.

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Sich den Friedhof geisterlos vorzustellen, ist geradezu undenkbar. In der heiligen Nacht soll man dort die Geister all derjenigen sehen, die im kommenden Jahr sterben werden. Ein Neugieriger wagte dies einmal und sah dort seinen eigenen Geist. Er ist auch wirklich im folgenden Jahre ins Grab gestiegen.

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Hexen treiben allenthalben ihr Unwesen. Jeden Diebstahl schreibt man gerne ihnen zu. So erzählt man folgendes: ,,In Eben sei bei einem Bauern ein Kirschbaum voller Früchte gewesen. Des Abends wollten sich einige daran gütlich tun. Als sie in der Dunkelheit nach den Früchten griffen, war keine einzige mehr zu finden. Von einem Fenster des Hauses erscholl greuliches Lachen. Eine Hexe hatte den Baum abgeräumt."

Die Frage neugieriger Kinder nach ihrer Herkunft beantwortet man: „Der Boarwind hat eich ans Ufer geschwemmt."

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Am Allerheiligentage abends sagt man: „Jetzt gehen wir in die Seelennacht." Den armen Seelen zuliebe will man auch etwas Gutes tun. Diesem frommen Wunsche tragt das uralte, erst durch den Krieg verschwundene „Nigelen-Betteln" Rechnung. In Pertisau gingen alle Kinder, gleich, ob arm oder reich, am Allerseelentage von Haus zu Haus und schrien aus voller Kehle: „Bitt' goar schea um an aorma Sealazelt!" Sie erhielten dann ein eigens zu diesem Anlass gebackenes Brot, die „Nigelen". In Achenkirch übten diesen Brauch nur die armen Kinder und die alten Weiber aus.

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Ein alter Brauch ist das „Körbeletragen" der kleinen Mädchen am 8. September, dem Feste Maria Geburt. Verschiedene Kräuter werden im Frauendreißiger, das ist in der Zeit zwischen Maria Himmelfahrt und Maria Geburt, gesammelt und in ein schon geschmücktes Korbchen, mit Blumen vermischt, eingeordnet. Das Mädchen fragt nun seine Bekannten und Nachbarn, ob es ihnen ein Korbchen bringen dürfe. So kommt es, dass manche Kleine fünf bis sechs Körbchen am Frauentag zur Kirche bringt. Für die Kräuter bekommt sie dann von ihren Abnehmerinnen eine Krone oder einen Gulden. Die im Frauendreißiger gesammelten Kräuter versprechen nämlich eine große Heilkraft zu haben, wenn eine Krankheit die gute Base plagt. Gewöhnlich sind es Minzen-, Salbei- und Wermutkräuter, die das Körblein enthält.

Während dieser Zeit gelegte Eier sollen auch das ganze Jahr frisch bleiben. Die Frauendreißiger-Kräuter müssen gleich nach den Palmkatzln dazu herhalten, den Wettern ihre Kraft zu nehmen. Hat die Bäuerin etwas Schwarzes am Himmel erspäht, so nimmt sie geschwind ihre Kräuterdose und wirft das schwarze Zeug ins Feuer, und Haus und Hof sind sicher, ebenso, was auf dem Felde steht.

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Diesem Zwecke dienen auch die am Palmsonntag geweihten „Palmen". Schon eine Woche früher holen sich die Buben diese aus dem Wald. Dann richtet der Vater eine lange, bunt bemalte Stange her, an deren Ende die „Palmkatzln" und Ölzweige buschenförmig angesteckt werden. An die Zweiglein werden kleine Brezeln und Äpfel gebunden und das Ganze mit Bändern verziert. In gleicher Weise bringen dann die Buben, die wie „Körbelemädchen", ihren Verwandten und Bekannten Palmzweige, wofür sie auch irgend ein Silberstück bekommen. Der „Palm" prunkt dann noch lange Zeit am Gartenzaun.

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Die Nacht vor des Kaisers Geburtstag (18. Aug.) erhellte früher ein herrliches Feuerwerk, das seit Beginn der Dampfschifffahrt sich so großartig gestaltete, dass es wohl allen, die es einmal gesehen haben, in unvergesslicher Erinnerung bleiben wird. In alter Zeit fuhr man mit „Pucheln" (Fackeln) auf den See und entzündete dort auf einem Floß ein herrliches Feuerwerk. Später aber besorgten das die neuen Dampfschiffe, die mit Raketen und Leuchtkugeln aufeinander schossen und so das Bild einer gefahrlosen Seeschlacht boten. Ganze Büschel von Raketen fuhren zum Himmel empor und versprühten dort in tausend Farben. Am Ufer fuhren mit Lampions geschmückte Kähne, deren Insassen vaterländische Weisen sangen. Scharen von weither geeilten Zuschauern, die sich das prächtige Schauspiel ansahen, spazierten am Strand entlang. Am Ende der Schlacht brannte der eine Dampfer lichterloh in grünem, der andere in rotem bengalischem Feuer. Dann fuhren beide Schiffe zum Landungssteg, um sich mit Menschen zu füllen, die eine Nachtfahrt mitmachen wollten. Inzwischen stimmte eine Musikkapelle die Kaiserhymne an, in die Tausende begeistert einstimmten. Am nächsten Tage sah der Achensee so viele festlich gekleidete Menschen, wie noch nie. In Fahnen und Wimpeln prunkten Dampfer und Häuser. Um 9 Uhr fand das vom Abt von Fiecht zelebrierte Kaiseramt statt, dem ungeachtet seiner Religionszugehörigkeit jeder Sommerfrischler beiwohnte.

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Man darf in das Brot kein Messer hineinstoßen, das tut dem Brot weh.
Das Brot soll nie mit der Unterseite nach oben auf den Tisch gelegt werden, immer mit der schönen Seite aufwärts.
Brotbrösel soll man nicht wegwerfen, sondern immer in das Feuer, für die armen Seelen.
Wenn sich auf der Unterseite einer Pfanne im Ruß eine Menge Funken bewegen, so kommt der „warme Wind".
Bei einem Gewitter soll man nie an einem offenen Fenster oder einer Tür stehen, das zieht den Blitz an.

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Die Wöchnerinnen mussten sich nach einer Geburt erst aussegnen lassen, d. h., sie mussten an der Kirchenschwelle knien und durften das Gotteshaus nicht betreten, ehe sie vom Priester gesegnet worden sind. Wenn eine Wöchnerin vor ihrer Aussegnung grünen Boden betritt, bekommt das Böse Macht über sie.

Quelle: Hans Klingler, Sagen aus dem Achenseegebiet, in: Achentaler Heimatbuch, Zusammengestellt von Katharina Staudigl-Jaud, Schlern-Schriften Band 241, Innsbruck 1965, S. 432 - 444.