Die Muttergottes von Ampezzo
Vor mehr als tausend Jahren kamen die Straße von Cadore daher ins Ampezzotal Scharen von räuberischen Langobarden gezogen; andere sagen, daß es Horden zusammengelaufenen Raubgesindels von drüben her gewesen. Zn jedem Fall aber stand ihnen der Sinn auf Plünderung, Raub und Mord, und die armen Ampezzaner, als ein friedsames, unbewaffnetes Hirtenvolk, wußten nicht, wie sie sich der Übermacht erwehren sollten. Zn solcher Not nahmen sie ihre Zuflucht zu der gnadenreichen Gottesmutter, und nicht vergeblich.
Da der Schwarm der Feinde in Ampezzo einzudringen begann, senkten sich vom Himmel schwarze Wolken herab, und bald war das ganze Tal in dichten Nebel gehüllt. Die Ampezzaner, von den fremden Banden angegriffen, konnten als die schwächeren sich nicht lange behaupten und wichen zurück. Dies Zurückweichen aber gewahrten die Eindringlinge inmitten der Nebelwollen nicht: sie stachen und hieben drauflos und meinten immer noch die Ampezzaner zu bekämpfen, während sie sich gegenseitig umbrachten. So trieben sie es fort, bis sie sich in der Erbitterung untereinander ganz aufgerieben hatten; denn die Mutter Gottes hatte sie mit Verwirrung geschlagen. Und also ward Ampezzo befreit.
Für solche himmlische Hilfe gelobten die dankbaren Talbewohner die
Errichtung einer Kirche; nur ward noch beraten, wo sie erbaut werden sollte.
Am andern Morgen aber, obwohl es im Monat August war, zeigte sich, daß
es über Nacht an einer bestimmten Stelle geschneit hatte. An dieser
Statt und in dem Umfang, wie der Schnee gefallen war, wurde die Kirche
aufgebaut und erhielt den Namen: zur Muttergottes von der Verteidigung
Ampezzos.
Quelle: Tiroler Legenden, Helene Raff, Innsbruck 1924, S. 59ff