Der Butterknollen
Ein Schneider war auf der Stör in einem Einzelhof im Gebirg. Die Bäuerin hatte nur zwei Kühe im Stall; deshalb, als sie zu buttern anfing, meinte der Schneider, der nebenan nähte, bei sich: der Rahm werde nicht recht dergeben. Er hörte aber, wie sie immer vor sich hin sagte: "Dreißig sollen es sein, dreißig sollen es sein." Und wie sie mit buttern fertig war, hatte sie wirklich einen Butterknollen, der war dreißig Pfund schwer.
Der Schneider begriff wohl, daß dies nicht mit rechten Dingen zugehen konnte; auch hatte er bemerkt, daß die Frau in das Butterfaß, ehe sie den Rahm hineinschüttete, einen Beutel hineingetan hatte. Hallo! dachte der Schneider, was kann das sein? Und er benutzte einen Augenblick, als die Frau hinausgegangen war, um ihr den Beutel, der verschiedene, sonderbar geformte Dinge zu enthalten schien, zu stehlen.
Sobald er zu Hause angelangt war, tat er den Beutel in sein Butterfaß, goß Rahm darauf und brachte mit Rahmschlagen viel mehr Butter zusammen, als es natürlicher Weise abgeben konnte. Da ward an die Tür gepocht, und ein Mann, der wie ein Dörcher oder etwa ein reisender Handwerksgesell aussah, kam herein. Der ging auf den Schneider zu, hielt ihm eine Schrift vor die Nase und sagte: "Du, wenn du die Arbeit we tertreiben willst, mußt du dich erst unterschreiben." Den Schneider befiel ein Grausen, da er in der Schrift eine Menge Namen eingezeichnet fand, auch den der Bäuerin, der er den Beutel gestohlen hatte. Er merkte, auf welche Art das Ding zugehe, und weigerte sich hartnäckig, seinen Namen einzuschreiben. Der Fremde geriet in helle Wut und fuhr, da ihm der Schneider den Beutel zurückgab, mit einem Fluch davon. Es war kein anderer, als der Teixel gewesen.
So soll auch eine Bäuerin einmal ihrer Nachbarin draufgekommen sein, wie die in einem Butterkübel butterte, aus dem sie unmöglich scheinende Mengen Butter herausbrachte. Die Bauerin hätte ums leben gern einen ebensolchen Kübel gehabt; die Nachbarin sagte: sie solle nur Geduld haben, sie bekäme ihn schon. "Ich werde Euch einen schicken mit dem Hexenbuch; in das braucht Ihr Euch nur einzutragen." Am selben Abend noch kam ein unheimlich aussehendes Männlein zu der Frau und brachte ein großes Buch mit: in das sollte sie sich mit ihrem Blut einschreiben. Der Frau ward angst und sie machte Ausflüchte, aber das Männlein sah sie furchtbar an, packte ihre Hand; die preßte er so stark, daß aus einem ihrer Finger das Blut sprang. "Jetzt schreib!" herrschte er sie an. Da kam der Geschreckten ein rettender Gedanke: schnell schrieb sie mit ihrem Blut die drei höchsten Namen ein. Dadurch war das Männlein nimmer imstande, das Buch zu heben oder nur zu berühren. Mit Stank und wildem Wutschrei entwich der leibhaftige; die Bäuerin aber war gerettet, und auch die anderen, die im Buche standen, erhielten, da er das Buch nimmer hatte, Zeit zur Buße und Bekehrung.
Quelle: Tiroler Legenden, Helene Raff, Innsbruck 1924, S. 167ff