Vom heiligen Namen Gottes
Es lag eine Frau in der Stube, die hatte ein liebes Kindl bekommen. Die Leute hätten sie nicht allein lassen sollen, weil sie noch nicht auf" gesegnet war, aber sie waren alle fort, und auch die Nachbarin, die bei ihr hätte beten sollen, war gegangen. Mit einmal stand ein fremder, großer Mann in der Stube, der wollte, die Kindbetterin sollte aufstehen. Die Frau fürchtete sich vor ihm; "Also gut, ich will mich antun," sagte sie, "wenn du mir den Kittel reichst." Der Kittel hing über einem Stuhl. Da war das Fürchten an dem Fremden. "Den Kittel kann ich nicht anrühren. Da sein drei Gottesnamen dabei," sagte er - "in Gottesnamen ist er gewirkt, in Gottesnamen genäht und in Gottesnamen angelegt." Damit war er fort und die Frau sah ihn nimmer.
So hatte auch ein Vater einen Sohn, der ihm viel Verdruß machte,
und den er darum nicht leiden mochte. Der Bub stellte alles verkehrt an,
und alles schlug ihm zum Bösen aus; das kam daher, weil er in einer
Unglücksstunde geboren war. Der Vater hatte sich von irgend einem,
der sich auf solche Künste verstand, nach dem Kalender ausdeutschen
lassen, wie die Himmelszeichen bei der Geburt des Kindes gestanden hätten;
und der hatte ihm erklärt, nach den Aspekten müßte der
Bub sich aufhängen. Also hielt der Vater alle weitere Heb und Mühe
für verloren und achtete den Buben gering; das erbarmte einen gutherzigen
Nachbarn. "Gib mir deinen Buben," sagte er, "ich will ihn
mit der Gottshilf schon ziehen." Der Vater wars zufrieden und schenkte
seinen Sohn dem anderen. Der Ziehvater lehrte den Buben: "Bei allem,
was du anfängst, sollst du sagen: nun denn in Gottesnamen! Sonst
kannst du nichts Nutzes dertun." Der Ziehsohn gehorchte; aber weil
er schon verstockt und verbittert war, ging er damit um, sich das Leben
zu nehmen. Als ihn bald hernach der Pflegevater in den Keller schickte,
Wein zu holen, nahm er einen Strick mit und wollte sich aufhängen.
Aber unwillkürlich sagte er dabei vor sich: "Nun denn in Gottesnamen!"
Und wie er es sagte, war es immer, als zöge ihm jemand die Hand zurück.
So ging die Stunde vorüber, in der er sich nach dem Kalender hätte
aufhängen sollen, und hernach mochte er es nimmer tun, sondern machte,
daß er aus dem Keller wieder herauf kam. Von da an geriet ihm alles,
was er tat, und er ward ein braver Bub, den der rechte Vater gern hätte
zurückhaben wollen. Aber der Bub wollte beim Ziehvater bleiben, und
der gab ihn auch nicht her. "Zwui host ean herg'schenkt?" sagte
er zum Vater; und dabei hatte es sein Bewenden.
Quelle: Tiroler Legenden, Helene Raff, Innsbruck 1924, S. 192ff