Der starke Robbler
Ein Bursch im Oberinntal mochte nicht gern arbeiten; da langte ihm die Kraft nie recht aus. Aber zum Wildern und Streunen war er allezeit gut aufgelegt, und das Raufen und Robbeln war ihm gar das Allerliebste. Er hätte mögen der Allerstärkste sein, dem kein anderer ankönnte; wie er das anfangen sollte, darüber studierte er Tag und Nacht, und von einem fahrenden Gesellen lernte er ein böses Mittel dazu.
"Gehts nur her, wer will!" - rief er des Sonntag nachmittags - "wie schneidiger, wie lieber!" Das ließen sich die Buben nicht zweimal sagen: sie versuchten es mit ihm der Reihe nach, aber er warf einen jeden nieder! Die Stärksten wurden schwach, wenn er sie derpackte,- es ging eine Kraft von ihm aus, der niemand stand hielt. Sogar das Vieh schien sie zu spüren: wie einmal ein wütiger Stier ausgekommen war, und keiner ihm Herr werden konnte, trat der Jackl - so hieß der Robblerkönig - ihm entgegen und schlug ihm die Faust gegen die Stirn - und alsbald senkte der Stier sich zitternd in die Knie.
Es konnte nicht fehlen, daß ein Gerede entstand: mit dem Jackl sei es nicht richtig; der verstehe die schwarze Kunst. Aber beweisen ließ sich ihm nichts. Etliche Burschen machten die Probe und steckten, ehe sie mit ihm anbanden, geweihte Gegenstände in den Sack, vor denen alle Teufelskunst hätte zuschanden werden müssen. Aber es half nichts; der Jackl besiegte sie doch.
Endlich befiel ihn eine Krankheit, und er kam zu sterben. Aber er lag
in Zügen viele Tage lang und konnte nicht sterben. Sein Schreien
und Stöhnen hörte sich schrecklich an; dabei deutete er immer
auf seinen rechten Arm. Die Umstehenden sahen zuletzt nach, was er da
hätte - und fanden eine hl. Hostie, die ganz in den Arm eingewachsen
war. Die hatte der Jackl bei der heil. Kommunion entwendet und durch einen
Schnitt, den er sich beigebracht, unter die Armhaut geschoben. Als das
verunehrte heiligste Gut ihm nun herausgeschnitten ward, tat er noch einen
Ächzer und verschied sogleich.
Quelle: Tiroler Legenden, Helene Raff, Innsbruck 1924, S. 155ff