Bestrafte Tierquäler
Auf einem Bauernhofe am Brenner lag ein Knecht in Zügen, schon ein paar Tage lang, und konnte nicht sterben. Der Geistliche, der ihn versehen hatte und wieder vorsprach, verwunderte sich und fragte die Leute im Haus: ob es sein könnte, daß der Knecht etwa eine ungebüßte Schuld auf sich hätte? Sie rieten hin und her -"hat er vielleicht das Vieh recht gequält?" - fragte der Herr. "Ja, das hat er," antworteten sie. "Dann werden wirs bald haben; holt das Joch! Er muß mit dem Joch geschlagen werden." Sie holten es und haben ihn nur ein klein wenig damit berührt; da war der Mensch verstorben.
Anderen ging es anders; die haben ihr Unrecht mit hinübergenommen.
Auf einem Stiegele im Wald hockte jeden Abend eine dunkle Schattengestalt;
die meisten machten bei ihrem Anblick einen weiten Umweg und schleunten
[beeilten] sich, daß sie vorbeikamen. Einmal aber kam ein gottbegnadeter
Mann des Weges, der erkannte, was es mit dem Putz auf sich hatte. Drei
Abende nacheinander ging er an dem Stiegele vorüber und schlug auf
die Gestalt. Beim drittenmal wurde sie ganz hell und offenbarte ihm, daß
sie die Seele eines toten Knechtes sei, der nicht Ruhe fand, weil er im
Leben die Ochsen beim Treiben zu sehr geschlagen hatte. Run war die arme
Seele erlöst und verschwand.
Quelle: Tiroler Legenden, Helene Raff, Innsbruck 1924, S. 179f