Der Geist im Schloßkeller
Ein Bauer, der nach Schloß Matzen zinspflichtig war, weigerte sich, seine Abgaben zu leisten. Einmal sagte er zu seiner Frau:
"Statt dessen will ich, wenn ich gestorben bin, eine Weile im Schloß geistern . . .!"
Die Frau erschrak sehr darüber und bat den Mann, die unüberlegte Rede zurückzunehmen. Lieber solle er tun, was ihm geboten sei, er aber weigerte sich. Er wolle nach seinem Tod als Schloßgeist weiterleben, das sei nun einmal sein fester Entschluß.
Der Bauer starb und war nun als Geist in den Schloßkeller von Matzen gebannt. Nacht um Nacht wanderte er ruhelos in dem weiträumigen Gewölbe auf und ab. Aber, was er zu Lebzeiten ersehnt, das schien ihm gar nicht zu behagen, denn oft und oft hörte man ihn stöhnen und jammern:
"Oh, wie hart, oh, wie hart ...!"
Nun aber kam die Reue wohl zu spät, er mußte büßen
für seinen Frevel. Auch unter dem Schloßgesinde herrschten
Furcht und Aufregung. Niemand wollte nach Einbruch der Dunkelheit die
unteren Räume betreten, einer schob es dem anderen zu, jeder weigerte
sich. Endlich gestanden sie dem Schloßherrn ihre Angst. Dieser -
ein sehr beherzter Mann, erbot sich schließlich, eine Nacht im Weinkeller
zu verbringen. Er wollte sich überzeugen, was denn Wahres an der
Geschichte sei.
Und wirklich - um Mitternacht erschien der Geist. Er jammerte und stöhnte:
"Oh, wie hart, oh, wie hart ...!
"Kann ich dir helfen?" fragte der Schloßherr voller Mitleid.
"Gib den Zins, den ich noch schuldig bin, den armen Leuten!" flehte der Unglückliche.
"Wenn zehn Familien drei Jahre lang bei dir ein Mittag- und ein Abendessen bekommen, dann bin ich erlöst!"
Der Ritter versprach es, und alles geschah nach dem Willen des toten
Bauern. Drei Jahre lang aßen sich zehn Familien am Tisch des Schloßherrn
zu Mittag und am Abend satt. Von nun ab war der Kellergeist verschwunden,
man hörte und sah ihn niemals wieder.
Quelle: Die Heidin, Alpbacher Sagenbuch, Berta Margreiter, Innsbruck 1986, S. 51.