Der alte Hechenblaikner - und sein unglückseliges Ende
Auch der Bauerndoktor selber starb keines natürlichen Todes. Sein vielumstrittenes Dasein war erfüllt mit Taten, die man einander nur flüsternd erzählte. Gutes und Unheimliches waren untrennbar mit seinem Leben verbunden.
Der Besitz des Teufelsbuches warf manchen Schatten auf ihn, Unzähligen aber half er, Bestohlenen und von Schmerzen Gequälten. Nach Unfällen besprach er das Schwinden der Muskeln, und es lag in seiner Macht, rinnendes Blut zu stillen.
Zu seiner Zeit war er wohl nicht der einzige, der sich auf diese Dinge verstand. Aber auch für ihn dürfte gelten, was man von seinesgleichen berichtete: Keiner sei reich durch diese Kunst geworden und keiner besonders glücklich.
Bis zu seinem Tode sahen die Ärzte in ihm einen gefährlichen Rivalen, der ihr eigenes Ansehen schmälerte. War es doch eine Zeit, da man den Studierten noch immer mißtraute und deren Hilfe erst in Anspruch nahm, wenn der Bauerndoktor versagt hatte. So herrschten zwischen diesen gegensätzlichen Helfern der Menschheit oft erbitterte Kämpfe, die auch mit unfairen Mitteln ausgefochten wurden.
So schrieb man auch den Tod des alten Hechenblaikners einzig seinen vielen Feinden aus der Ärzteschaft zu.
Der Bauer weilte gerade im Zillertal. Dort war Markt und ein reges Treiben unter den vielen Besuchern. Handelschaften und allerlei Kurzweil lockte die Menschen aus nah und fern.
Der Bauerndoktor saß mit Bekannten an einem der aufgestellten Tische vor einem Wirtshaus. In seiner Nähe befanden sich auch ein paar Männer, die er nicht kannte. Er beachtete sie nicht.
Wie alle anderen, so trank auch er von dem Wein, den die Kellnerin kredenzte.
Plötzlich war der Alte von Krämpfen gepeinigt, er als einziger in der Tischrunde.
Vielleicht hatte einer der Anwesenden Gift in seinen Becher gemischt, in einem Augenblick, als niemand darauf achtete. Es wurde nie bewiesen. Wohl aber zeigte sich, daß der berühmt-berüchtigte Mann an einer Vergiftung starb.
Er selbst erkannte die Gefahr, in der er sich befand. Und schnell schickte
er seinen Knecht nach Hechenblaiken, damit er ihm eine Medizin hole.
"Beeil dich, so gut du kannst", bat er mit versagender Stimme,
"über der Stubentür steht ein Fläschchen mit einer
hellen Flüssigkeit. Das sollst du mir bringen!"
Und der Knecht eilte, als gälte es sein Leben. Indes wand sich sein Herr in argen Schmerzen, die ihm den Schweiß aus den Poren trieben. Bald malten sich die Zeichen des Todes auf Stirn und Wangen, schon aber kam der Bote zurück.
"Hier - das Fläschchen ... !"
"Unglückseliger, du hast das falsche mitgebracht!"
Es waren nämlich zwei Gläser oberhalb der Tür gestanden, und der Knecht hatte in der Eile das erstbeste genommen, ohne sich darüber Gedanken zu machen.
Der Hechenblaikner aber starb noch zur selben Stunde.
Quelle: Die Heidin, Alpbacher Sagenbuch, Berta Margreiter, Innsbruck 1986, S. 76f.