Die Wilde Fahrt bei Münster
's Wildg'fahr oder die Wilde Fahrt ist in vielen Gegenden Tirols bekannt
und gefürchtet. Einst ging eine Frau aus Wiesing nach Mitternacht
von Rattenberg aus heimzu, und ihr Weg führte sie über die große
flache Wiese bei Münster. Da hörte sie plötzlich hinter
sich her ein Geräusch wie von einem Sturmwind. Wie sie umschaute,
sah sie einen Wagen hinter sich herfahren, pfeilgeschwind, auf dem Vögel
saßen, so schwarz wie Kohlraben, aber so groß wie Geier, die
schlugen heftig mit ihren Flügeln und kreischten ganz entsetzlich,
so daß ihr Geschrei noch das Gerassel der Wagenräder übergellte.
Plötzlich erscholl das Frühgeläute in Wiesing, und mit
einem Male war bei dessen Schall der böse Nachtspuk hinweg. Glockenklang
und Hahnschrei kann die Dämonenwelt nicht vertragen, und Gebet hat
immer genützt, wie es einst zu Wildschönau geschehen. Da hat
die Wilde Fahrt ein nicht genug gesegnetes Kind weggeführt, mußte
es aber wieder absetzen, weil die Mutter gar so viel betete; so soll es
auch auf dem Bauerngute "Zu Lechen" im engen Grunde des Alpbachtales
geschehen sein. Das noch ungewaschene Kind spielte unbefangen vor dem
Hause, da stürmte 's Wildg'fahr daher und führte es fort, die
Mutter aber jagte ihm durch Gebet das Kind wieder ab.