Die Christnachtzecher
Bei Latsch saßen im Wirtshaus drei Gesellen, echte Strolche und Lumpen. Es war just Christnacht, und sie zechten drauf und drein, zankten, fluchten, verschworen sich und machten, wie das Sprichwort geht, den Schutzengel weinen und den Teufel lachen. Besonders trieb es der eine von den dreien gar arg und lästerlich, so daß die Wirtin es nimmer anhören mochte und aus der Stube ging. Der Wirt, dergleichen eher gewohnt, blieb bei seinen Gästen und zechte und lachte mit; endlich aber wurde es ihm auch zu toll, das wüste Geschwätz und Aufbegehren gegen Gott und alle Heiligen ärgerte auch ihn. Er erinnerte daher daran, daß Christnacht sei. "Was? Christnacht? Was geht mich die Christnacht an?", erwiderte der Hauptspötter und hüb an zu singen:
Was soll das für 'ne Christnacht sein?
In jeder Christnacht wird das Wasser Wein,
Christnacht hin - und Christnacht her,
Ich wollt', daß all' Nacht Christnacht wär'.
Man redet hin und her, bis sich der Frevler vermißt, mit dem Schlag
zwölf an den Brunnen im Hofe zu treten und in einem Krug den Wein
aufzufangen. Gesagt, getan, der Krug ist zur Hand, die Uhr schlägt
die Mitternachtsstunde aus - jener ist schon am Brunnen, die ändern
lauschen, teilweise ist ihnen nicht wohl zumute. Plötzlich wird vom
Brunnen her ein greller Pfiff gehört, darauf ein kläglicher
Schrei und ein gellendes Gelächter, dann ein Fall und das Geräusch
eines zerbrechenden Kruges. Jetzt waren der Wirt und die Zechgesellen
ernüchtert, erst will sich keiner vor die Türe wagen, endlich
gehen sie alle drei - und da liegt der Kumpan, der Hals ist umgedreht,
die Lippen sind schwarz gebrannt, als hätten sie glühendes,
flüssiges Metall gekostet.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 251.