Das Christusbild und die Kröte
Wie in mehreren Kapellen Tirols befindet sich auch im St.-Michael-Kirchlein zu Schwaz ein Christus im Elend (ein Ecce-Homo-Bildnis), welchem der Bart wachsen soll, und welches eifrig besucht wird. Man sah vorzeiten an gewissen Tagen, gewöhnlich an den Vorabenden hoher Festtage, eine große Kröte zum Altar kriechen, wo sie sich auf den Hinterfüßen aufrichtete und die Vorderfüße so zusammenhielt und in die Höhe hob, als ob sie dieselben zum Gebete gefaltet hätte.
St. Michael Kirche, Schwaz in Tirol
1504 - 1507 als Doppelkapelle von Chr. Reichartinger erbaut.
Unterkapelle zum Hl. Michael, Oberkapelle zum Hl Vitus. Mit Flügelaltar
von Jörg Lederer, 1511 bis 1782 Veitshuhnopfer (Quelle: Messingtafel
an der Kirche)
© Tanja
Beinstingl, April 2004
Diese Kröte war nach dem Volksglauben eine arme Seele, und dieser
Glaube wurzelt noch tief im Volke. Überhaupt spielt die Kröte
noch jetzt eine bedeutende Rolle im Dreißing oder Dreißgen,
d. i. von Maria Himmelfahrt bis Maria Geburt. Man fängt während
dieser Zeit eine Kröte, bindet sie an einem Hinterfuße an (oder
spießt sie an einen Pfahl oder Stock) und hängt sie an einen
Baum unter freiem Himmel auf, bis sie verhungert und ausgedörrt ist.
Dann hängt man sie innerhalb der Stalltüre auf und läßt
sie das ganze Jahr hindurch hängen, bis eine andere sie ablöst.
Man heißt sie Dreißing- oder Dreißgenkröte; sie
soll Seuchen, Verwünschungen und Hexereien vom Vieh abhalten, nur
gegen Verfluchung soll sie nicht wirksam sein. Auch haarwachsende Christuskreuze
in den Kapellen und Kirchen waren einst allenthalben zu schauen und sind
deren noch, wie z. B. im Seekirchlein zu Seefeld ob Zirl, das Sautnerkreuz
bei Sautens im Ötztale u. a. m.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 90