Das Heilige-Baum-Schloß
An die Stelle des Schlosses bei Nauders, welches Sankt Valentin verwünscht hat und das, eine gute halbe Stunde vom Orte entfernt, rechts der Straße von Reschen herab gelegen war, wölbte sich ein großer, grüner Hügel, und zwar unweit des heiligen Baumes. Da mit dem Heidenschlosse, der Sage nach, auch ungeheure Schätze versanken, so versuchte die Habgier teils durch geheime Künste und Zaubermittel, teils durch einfache Nachgrabungen in den Besitz dieser Schätze zu gelangen. Ein Mann aus Nauders vergrub aber auf diese Weise dadurch, daß er nichts ergrub, sein ganzes Vermögen, wie das ändern anderswo auch schon also ergangen ist. Er sagte: "Der Hügel ist ein Hünengrab, und zwar von einem König, es muß viel Geldwert in ihm ruhen." Freilich war nicht selten magischer Lichtschimmer auf dem Hügel wahrgenommen worden, eine glänzende Schlange hatte sich blicken lassen, Gold und Silberstücke, die sie nicht sehen ließen, hatte man doch klingeln gehört, und manches andere.
Hügel in Nauders mit wahrlich magischem Lichtschimmer
© Berit
Mrugalska, 17. September 2004
Einmal fuhr eine Bäuerin mit ihrem Alten in aller Früh in die Gegend dieses Schlosses um Holz. Sie pflegte gewöhnlich ihren Kindern etwas mitzubringen, diesmal lag viel Schnee, daher konnte sie weder Beeren noch sonst etwas finden. Während sie mit dem Holz durch einen Hohlweg fuhren, klagte es die Frau ihrem Manne und meinte, daß die Kinder wohl trübe Gesichter machen werden. Sie ging hinter ihrem Manne her, da sah sie auf einmal eine Wanne voll schöner elfenbeinerner Spielereien, von welchen sie alsbald höchlichst verwundert eine Handvoll mitnahm. Als sie daheim die künstlichen Elfenbeinarbeiten den Kindern geben wollte, war alles in funkelndes Gold verwandelt. Freudig überrascht fuhren der Bauer und die Bäuerin hinaus, um die ganze Wanne voll hereinzuführen, es war aber alles verschwunden.
Burg Naudersberg (Anfang 14. Jh.)
© Berit
Mrugalska, 17. September 2004
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 233.