DER ACHSELKOPF AUF GOLDENEM FUßE


"Knappentod und Güldenfluß,
Achselkopf mit Güldenfuß"


sagt ein alter Reim, und erklärt sich durch folgende Sage:

Ein Knabe armer Leute von Hötting mußte den Tag hindurch ihre einzige Kuh oben im Berge unter dem Achselkopf hüten. Einmal ließ sich die Kuh nicht lenken, sondern sprang bald aufwärts, bald abwärts, weßhalb der Bub ihr einen Stein nachwarf, der am Wege lag. Aber der Stein klingelte wie Silber und ein kleines Männlein mit schneeweißem langen Barte stand vor ihm und rief:


Halt Bua !
Da Stoan gilt mehr als d'Kuah !


Und als der Bub fragte: zwög'n wos denn ? rief das bärtige Männlein wieder:


"Knappentod und Güldenfluß,
Achselkopf mit Güldenfuß"

Knappenloch, Höttinger Bach©Berit Mrugalska

Knappenloch, Höttinger Bach, Innsbruck
©Berit Mrugalska, 29. April 2004


Das Männlein war das Höttinger Bergmandl, welches schon öfter gesehen worden war, gewöhnlich am Stangensteig und bei Bergfall, Niemandem etwas zu Leide thut, vielmehr guten Buben etwas Liebes erweist. Daher rieth das Bergmandel dem Buben, er solle den Stein nach Hause tragen, den er der Kuh nachgeworfen habe, was er auch befolgte; und es zeigte sich, daß der Stein gediegenes Gold war, womit den armen Leuten geholfen war für immer. Die Worte des grauen Männleins bedeuteten die verschütteten Bergknappen im Schachte des Berges, in welchem ein Goldfluß fließe, und daß der große Berg auf purem Golde stehe, daher nicht zu wundern, daß bis auf die neueste Zeit allda Schatzgräberei betrieben wird. Die Örtlichkeit ist hier mehr als anderswo geeignet, den Glauben an verborgene Goldminen zu bestärken, denn unterm Achselkopf, den man auch Achselstein nennt, waren einst viele Bergwerke mit goldhältigen Silbererzen - Fahlerz - wie bei Schwaz; dieses bezeugen die vielen Knappenstollen und die vielen Hügel, die "Höttingerbüchl," welche nichts anderes sind, als Aufhäufungen von Schutt und taubem Gestein von den Haupt- und Nebenwerken vom Bergfall, nun verfallen, aber doch noch immer umwebt von Knappen- und Geistersagen. Nicht nur gediegenes Gold und Silber in großen Klumpen sei drinnen, sondern sogar ein Goldfluß soll drinnen fließen, ein Fluß voll goldener Körner bis zur Größe eines Weizenkornes. Man erzählt auch in Hötting, daß daselbst beim Bärenwirth, dessen Haus das ehemalige Knappenwirtshaus war, als noch die reichen Bergwerke unterm Achselkopf in Betriebe waren, man zu Zeiten tief unten poltern höre, dann kämen Bergwichtelen herauf. Es sind kleine Männlein mit Spornstiefeln, und haben einen dreieckigen Hut auf den dicken Köpfen, die ohne Hals auf dem Rumpfe aufsitzen.


Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 122, Seite 122