Der gebannte Geist
Im Hause eines Bauers bei Hall schaltete ein Geist mit Lärm und Gepolter, Kettengeklirr, Türauf- und -zuschlagen, mit Geheul und Geschrei, erschien auch sichtbar als eine schwarze riesige Gestalt, verschwand aber jedesmal mit dem Glockenschlag ein Uhr nach Mitternacht, worauf dann wieder alles still blieb. Wer den Geist sah, erblickte ihn als einen Lasttragenden; ein schwerer Sack drückte ihn, so schien es, fast zu Boden, und wenn er denselben, wie er nicht selten tat, niedersetzte, so erschütterte er das ganze Haus.
Da dem Bauern weder Knecht noch Magd mehr bleiben wollte, und mit der Zeit auch ihm das Unwesen gar zu arg wurde, so ging er zu einem Jesuitenpater, von dem man glaubte, daß er alle Geister bannen und alle Schätze heben könne, und bat ihn, sein Haus von dem polternden Plagegeist zu befreien.
Beichtstuhl in der Allerheiligenkirche,
ehem. Jesuitenkirche Hall,
von aufwendiger Akanthusschznitzerei bekrönt (1699)
Vgl. Dehio-Handbuch, Tirol, 1980, S. 310
©Berit
Mrugalska, 28. April 2004
Der Pater ging mit dem Bauern auf den Hof und ließ sich in jenes
Zimmer führen, wo der Geist gewöhnlich zuletzt noch war, wenn
er verschwand. Hier verschloß sich der Pater fast eine volle Stunde
ganz allein, und man hörte durch die Tür heraus drinnen reden
-aber nichts als unverständliche Worte. Als der Pater endlich aus
dem Zimmer getreten, sagte er zum Bauern, er solle guten Mut haben, in
nächster Nacht wolle er den Geist in der Jesuitenkirche beschwören
und womöglich das Haus davon befreien. Dessen war der Bauer herzlich
froh, zugleich plagte ihn die Neugierde, wie es der Pater machen werde,
und da er ziemlich beherzt war, so schlich er gegen Abend in der Jesuitenkirche
heimlich in einen Beichtstuhl, wo er ein sicheres Versteck hatte, dabei
aber die ganze Kirche übersehen konnte, und war herzlich froh, als
ihn der Mesner beim Schließen der Kirchtür nicht bemerkte.
Gegen zehn Uhr in der Nacht trat der Pater durch die Sakristeitüre
in die Kirche, breitete in der Mitte vor dem Altar ein großes schwarzes,
mit roten Kreuzen versehenes Tuch aus, nahm ein großes Buch zur
Hand, las darinnen und segnete und betete dann ohne Unterlaß, bis
die Glocke zwölf Uhr Mitternacht verkündete. Nun erhob sich
draußen ein Brausen und Sausen so heftig und wild, daß die
Kirchentüre krachend auseinanderflog, und herein trat die schwarze,
riesengroße Gestalt des Hausgeistes mit dem großen Sack auf
der Schulter. Der Pater besprach den Geist, wovon der Bauer im Beichtstuhl
abermals nichts verstand, was er sehr bedauerte. Nach einer halben Stunde
warf der Geist den Sack mit Gewalt auf das schwarze Tuch, daß eine
Menge Goldstücke herumsprangen, hierauf entfernte sich derselbe,
die Tore fielen zu, die gleiche Totenstille herrschte wie früher,
und der Pater entfernte sich mit dem Schatz. Am andern Morgen begab sich
der Bauer zum Geisterbeschwörer und wollte auch etwas Geld haben,
allein er bekam nur sein Hütel vollgefüllt mit den goldenen
Fuchsen; hatte wohl genug auf sein Lebtag. Was mit den andern Fuchsen
geschehen ist, gründet sich nur auf Vermutungen - die Sage berichtet
nichts davon.