Der Teufel von Stanz
In der Kirche zu Stanz war der Altar fertig gebaut, man war aber noch nicht entschieden, welchem Heiligen man den Altar weihen sollte. Da fand ein Bauer an der Stanzer Wand beim Holzschlagen eine Zirbenbaumwurzel von ganz auffallend monströser Gestalt. Dieselbe hatte, wenn man nur halbwegs ein wenig daran schnitzelte und besserte, die Form des leibhaften Teufels, wie er häufig dargestellt wird. Man beschloß nun mit Hilfe eines geschickten Bildschnitzers, dem das Bild des heiligen Erzengels Michael zu schnitzen übertragen worden war, diese Teufelswurzel als Drachen zu verwenden und den Teufel zu des Erzengels Füßen zu postieren. Und so ist's geschehen; das Doppelbildnis wurde ober dem Altare aufgestellt. Der Engel ist schön, aber der Teufel über alle Maßen greulich anzusehen, so daß von einem häßlichen und dabei bösartigen Menschen in der ganzen Umgegend sich das volksübliche Sprichwort verbreitet hat: Er ist wüster als der Stanzer Teufel. Ein reisender Engländer und Kuriositätensammler, der nach Stanz kam, hörte die Geschichte und trug großes Verlangen, das Teufelsmonstrum zu kaufen; er bot ein schönes Stück Geld, aber die deshalb zur Beratung zusammenberufene Gemeinde gab allstimmig die Erklärung ab: Unsern Teufel behalten wir. Wer einen Teufel braucht, mag zusehen, wo er einen herbekommt, den unsrigen geben wir nicht her.
Wenn derselbige Engländer zu mir gekommen wäre, fügte der Erzähler dieser Sage hinzu, ich hält' ihm schon einen Teufel verraten wollen, noch häßlicher als der Stanzer.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 195.