Des Teufels Schindel
Einem Bauern zu See im Paznauntal brannte sein Haus ab, und er mochte an dessen Stelle gerne ein neues haben, war aber in keiner Feuerversicherungsanstalt und besaß kein Geld. Nahm daher seine Zuflucht zum Teufel und gelobte ihm auf Verlangen sein einziges Kind, wenn der Teufel vom Abend zum Morgen bis zum Hahnschrei ihm ein neues Haus fertigbaue. Bald nach geschlossenem Pakt bereute diesen der Bauer, und er wurde tief niedergeschlagen, weshalb seine Frau ihn fragte, warum er so traurig sei. Der Mann sagte ihr offen den Grund; sie sagte ihm ebenso offen, daß er ein ganz z'ritt'r und z'nicht'r Lump sei, der ein Kind um ein Haus dem Bösen opfere. Wie nun das Bäuerlein heulte, daß es zum Erbarmen war, sprach die Frau, er möge sich nur beruhigen, sie wolle die Sache schon richten. In der Nacht ging das Bauen los, und das Haus wuchs zusehends. Schon stand es unter Dach und Fach, und der Teufel, nachdem er sich zuvor als erstaunlich rascher Maurer, Zimmermann, Tischler, Schlosser und Glaser gezeigt, zeigte sich nun ebenso als Dachdecker. Jetzt war es Zeit, etwas zu tun. Die Frau fing ihren Hahn, tauchte ihn in einen Zuber voll Wasser und ließ ihn laufen. Just fehlte nur noch eine Schindel - der Hahn aber war ärgerlich, schüttelte und pluderte sich und krähte laut seinen Zorn in die Nachtluft hinaus. Der Teufel, der eben die letzte Schindel einziehen wollte, erschrak und meinte, sich verspätet zu haben, zumal alle Hähne der Nachbarschaft vom Schlafe aufgeweckt nun auch zu krähen begannen, obschon es noch viel zu früh war. Da warf der Teufel voller Zorn die Schindel nach dem Hahn und fuhr ohne Kind auf und davon. Der Bauer ließ nun das Haus innen auskleiden und fertigmachen und zog mit den Seinen hinein; im Dach blieb aber stets eine Lücke; niemals blieb eine Schindel dort liegen, wo des Teufels Schindel fehlte, und kein Mensch vermochte dort eine zu befestigen.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben
von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 199.