Der Drache im Seefelder See

Eine Poststation hoch über Zirl liegt die Hochebene von Seefeld. Einst befanden sich dort zwei Seen von ziemlichem Umfang, welche dem Orte den Namen verliehen; jetzt sind sie unbedeutender, aber immer lebt noch im Volke der Glaube, daß beide, oder doch einer derselben, von ganz unergründlicher Tiefe sei, wie denn dieser Glaube an so viele Bergseen sich anknüpft. Ein Mann aus Seefeld wollte einst den größeren der Seen untersuchen, wähnte ihn nicht tief und ritt mit einem Pferde hinein. Eine Zeitlang fand das Pferd noch Boden, aber als es gegen die Mitte kam, fand es keinen Boden mehr und mußte mit seinem Reiter schwimmen. Gleichzeitig entstieg dem Grunde des Sees ein greulicher Drache, der rief mit drohender Stimme, während seine Augen zornvoll funkelten:

Wenn du willst den See ergründen,
So will ich ganz Seefeld schlünden!

Skulptur "Tyrannosaurus Rex"
Skulptur eines Drachens oder besser eines Dinosauriers "Tyrannosaurus Rex"
kurz vor dem Seekirchl, Seefeld
© Berit Mrugalska, 13. September 2004

Tafel "Tyrannosaurus Rex"
Tafel mit folgender Aufschrift:
TYRANNOSAURUS REX
Er lebte vor 70 Mio. Jahren
Der älteste im Seefelder Ölschiefer gefundene Saurierabdruck
stammt von einem Flugsaurier, der vor 220 Mio. Jahren lebte.

© Berit Mrugalska, 13. September 2004

Wobei der Drache mit dem ungewohnten Ausdruck "schlünden" weiter nichts sagen wollte, als daß er ganz Seefeld in den Schlund seines Rachens hinabschlingen wolle. Damit begann er zu gleicher Zeit die erste Probe zu machen, indem er Roß und Reiter verschlang und mit ihnen wieder in die unergründliche Tiefe versank. Nach einigen Wochen fand man auf dem zweiten See den Sattel des Pferdes, auf welchem der Reiter gesessen hatte, schwimmend, den der Drache als gar zu unverdaulich nicht bei sich behalten hatte, und man ersah daraus den unterirdischen Zusammenhang beider Seen. Seitdem ist es keinem wieder eingefallen, die Tiefe des Sees messen zu wollen.

Daß sich die Seen nicht gerne ergründen lassen, lehren auch Sagen in andern deutschen Ländern.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 133