Fahlende Schüler

Im Paznauntale begegnet statt des sonst wohl üblichen Ausdruckes "Fahrende Schüler" die Bezeichnung: "Fahlende (fehlende) Schüler" - und es scheint derselben mehr als bloß sprachliche Abwandlungen zugrunde zu liegen. Der Ausdruck wird verschiedentlich erklärt. Einige behaupten, daß der Name von fehlen, sündigen, nämlich Zauberwerk treiben, herkomme; andere sagen, daß der Teufel Schule halte, wobei er stets nur 11 Schüler zulasse, einer davon bleibe sein Eigentum, dieser fehle folglich an der Zahl der Zauberlehrlinge; noch andere meinen, die zehn übrigbleibenden fehlen dem Teufel, diesen kann er nichts anhaben, weil er an dem einen schon seinen Lohn dafür hat und sie ihre Zauberwerke frei und ungehindert muß üben lassen. Die Sagen von diesen Schülern stimmen meist völlig überein mit den bereits bekannten von fahrenden Schülern, weichen aber auch ab, wie die folgende: Ein fahlender Schüler kam nach See, wo die Bauern sehr von Beißwürmern geplagt waren, und erbot sich, ihre Felder und Triften von diesen zu befreien, falls nicht auch ein weißer Wurm sich sehen lasse, denn nur dieser sei mächtiger als er und würde ihn töten, weil er dessen Untertanen vernichte, denn der weiße Wurm sei der Schlangenkönig. Die Bauern versicherten dem fahlenden Schüler, nie einen weißen Wurm gesehen zu haben. Nun errichtete der Hexenmeister eine hohe Säule, bewaffnete sich mit einem Schwerte, stieg hinauf auf die Säule und ließ rings um dieselbe ein Feuer anzünden. Droben las er nun aus einem Buche Zauberformeln, da ringelten sich von allen Seiten die Beißwürmer herbei und in das Feuer, in welchem sie alle verdarben. Der fahlende Schüler aber blickte oft ängstlich hinauf in den Wald, und mit einem Male rief er aus: "Wehe mir! Ich bin verloren! Ihr habt mich betrogen!" Vom Schellerwasserfalle herab schoß ein großer weißer Lindwurm daher, stürzte sich in das Feuer, ringelte sich unverletzt an der Säule empor, aber der Schüler stand mutig und kampfgerüstet droben und schlug mit einem Hieb seines scharfen Schwertes dem züngelnden großen weißen Lindwurm das Hauptab. Seitdem wird zwischen dem Scheller- und dem Habigerbach kein Wurm mehr erblickt; jenseits des Baches aber gibt es deren so viele, daß sehr not täte, es käme wieder ein fahlender Schüler, sie zu vertilgen.

Auch die Bergspiegelsage ist im Patznauntale genauso heimisch wie im Inntale und anderwärts, ebenso die Goldbrünnleinsage, die sich gewöhnlich miteinander mischen und in welcher Venedigermandln eine Hauptrolle spielen.


Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 206.