Das lustige Geigerlein
In der Wildschönau ging einst ein lustiges Geigerlein in der heiligen Christnacht zur Mette. Bei einer Brechelstube, an der ihn der Weg vorbeiführte, wollte er noch sein Instrument stimmen und probieren, um dann in der Kirche zur Ehre Gottes recht schön aufspielen zu können. Er schwang sich, wie immer voll lustiger Schwanke, auf eine Brechel und sagte zu derselben: "Und solltest du a Hex sein, da will i die Soatn umspäena und am Fiedlbogn den Kalfon nit sparn!"
Und kaum hatte er den Spaß gesprochen gehabt, da flog die Brechel
mit ihm hoch auf durch die Luft und auf und davon und brachte ihn an einen
Ort, wo viel lustiges Volk bei Tanz und Zecherei versammelt war. "Der
Geiger! Der Geiger!" schrien die Gäste, als sie denselben erblickten,
und der arme Musikant wurde genötigt, Walzer um Walzer aufzuspielen.
Dem Geiger wurde aber schier unheimlich im Herzen; er sah mancherlei,
wobei er sich dachte, daß das alles nichts Gewöhnliches wäre,
daher spielte er statt des Walzers die Arie eines frommen Kirchenliedes,
und wie er am besten im Geigen war, verschwand in einem Nu Gesellschaft,
Tanz und Fraß, aber das Geigerlein saß mutterseelenallein
hoch oben auf einer verrufenen Felsenspitze im grausigen Sturm, Hagel
und bösen Wetter, welches ihm die Hexen über den Kopf zauberten,
weit weg von seiner Heimat im Inntal draußen. Erst nach zwei Tagen
kam er heim, und die Hexenfahrt lag ihm lange genug in allen Gliedern.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 38