Die Heidin
In der uralten St.-Oswald-Kirche des weit zerstreuten Dorfes Alpbach hängt eine uralte Glocke, welche die Heidin heißt. Die hat schon geklungen zur Zeit der Einführung des Christentums in diese Gebirgstäler und zu den Versammlungen der neuen Christengemeinde gerufen, als noch Heiden im Gebiet dieser Berge hausten, vornehmlich in den Felsgeklüften des Thierberges.
Pfarrkirche St. Oswald in Alpbach, Alpbachtal
Erste urkundl. Erwähnung 1369, barocker Saalbau,
im Kern jedoch gotisch, Schindeldach, Vgl. DEHIO-Tiol, S. 148
© Berit
Mrugalska, 26. Juli 2004
Ihre Auffindung erzählt die Sage gar merkwürdig also:
Es stieg einmal ein Hüterbub am Thierberg herum von Geschröf
zu Geschröf, da hörte er plötzlich ganz in seiner Nähe
ein Klingen, wie Glockengeläute. Er ging dem Schall nach und war
noch gar nicht weit gegangen, als er vor einer Felsgrotte stand, in der
er drei Glocken erblickte. Er ging hinein, faßte sich einen frischen
Mut und wälzte, obschon mit vieler Mühe und Anstrengung, die
kleinere dieser Glocken vor den Eingang zu der Grotte. Weiter wußte
er die Glocke nun nicht zu bringen und lief eilends herab nach Alpbach,
um Leute zu holen, welche ihm hilfreich wären. Als ihm dies gelungen
war, ging die Gesellschaft am Berg hinauf, da zeigte sich aber die Felswand
glatt und geschlossen; die herausgewälzte Glocke lag außen
vor derselben, und von der zweiten, noch größeren Glocke war
nichts mehr zu sehen. Indes freute man sich des einen glücklichen
Fundes, schaffte die Glocke ins Dorf hinab, hing sie in der Kirche auf
und nannte sie, weil sie aus der Heidenzeit stammte, "die Heidin".
Dort hängt sie noch immer; zwar ist sie rauh von äußerm
Ansehen wie vom Klang, aber die gesamte Talgemeinde schätzt sie höher
als alle andern Glocken, weil man ihr die meiste Kraft gegen gefahrvolle
Hochwetter sowie auch gegen böse Hexereien zuschreibt. Vor ein paar
Menschenaltern erst herrschte noch der Brauch in Alpbach, daß bei
Gewittern der Geistliche aus der Kirche ging und vom Friedhof weg mit
dem hochwürdigen Gut gegen die Wetterseite hin den Segen gab. Dazu
wurde mit allen Glocken geläutet, wie noch heutzutage geschieht und
Wetterläuten heißt. Einmal sagte der Vikar zum Mesner, er solle
ihm mit dem rechten Fuß gleichfalls auf den rechten Fuß treten
und dabei an den Kirchturm hinaufblicken. Der Mesner tat so und sah, wie
eine Hexe mit fliegenden Haaren sich schrecklich plagte und abmühte,
den Klöppel der Heidin aufzuhalten und das Anschlagen zu verhindern,
denn nur diese war ihrem verderblichen Vorhaben am meisten hinderlich.