Das Hexenhaus zu Östen
In das Dörflein Östen mit 12 Häusern und einem kleinen
Kirchlein, in der Nähe von Umhausen im Ötztale, kam einst eine
Zigeunerbande. Es war schon Abend, und sie dachten sich ein Nachtquartier
zu suchen. Sie gingen nun von einem Haus zum andern, überall wurden
sie abgewiesen, weil niemand so verrufene Leute beherbergen wollte. Als
sie nun zum letzten Hause des Dörfleins kamen, wollten sie hier gar
nicht mehr anfragen, in der Meinung, es würde ihnen ebenso wie bei
den übrigen Häusern ergehen; jedoch probierten sie noch einmal,
und hier wurden sie aufgenommen. Froh, eine Unterkunft gefunden zu haben,
wollten sie den Bewohnern des Hauses die Wohltat vergelten. Sie gruben
unter unverständlichen Worten und geheimnisvollen Gebärden in
dem Hause etwas ein und prophezeiten dann, daß dieses Haus weder
verinnen noch verbrennen werde. Um ihrer Aussage Glauben zu verschaffen,
machten sie auf dem Heu Feuer auf, ohne daß das Haus verbrannte.
Was sie vorhergesagt, ging auch in Erfüllung. So brannte das ganze
Dörflein ab, dreimal drohte das Feuer auch dieses Haus zu verzehren,
vermochte aber nichts gegen den mächtigen Zauberspruch auszurichten,
und das Haus blieb unversehrt. Oft zerstörten Murbrüche davor
und dahinter Häuser und Felder, ließen jedoch, dieses Häuschen
ohne allen Schaden stehen. Und noch steht es, allgemein das Hexenhaus
genannt, und erregt schon durch sein unheimliches Äußeres etwas
greuliche Gefühle in dem Wanderer. Fast gleichlautend findet sich
diese Sage im Dorfe Steinbach im Thüringer Walde.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben
von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 172.