Der Hexentanz auf dem Somrig
Der Tarrenton mit seinem Dirschentritt (Thürsen- oder Riesentritt), der Sattelberg und die Lorea bilden die westliche und das Hochjoch, der Fern, der Waneck und der Hornberg mit dem Simmering die östliche Seite des oberinntalischen Sagenreichen Gurgeltales. Auf dem Simmering - Somrig nennt ihn das Volk - war ein Hauptsammelpunkt der Hexen, war Tanzplatz und Wettermachkanzel. Vom Somrig fuhren sie gewöhnlich auf den baumlosen, quellenlosen und kahlen Tschirgant, dann auf den Hornberg, ein eitel Teufelshorn, und so ging es fort, jahraus, jahrein, im sündigen Hexensabbat.
Der Somrig zeigt sich an seiner nordöstlichen Abdachung voll Holz und grüner Alpenweiden in sanfter Neigung gegen das herrliche Mittelgebirge von Miemingen mit den lachenden Dörfern des Mieminger Berges. Am Wege von Obermieming über die Niedermunda nach Leutasch zu steht kaum eine Viertelstunde wegwärts der stattlichste Bauernhof der Umgegend, und von ihm wird folgende Sage erzählt: Eine Besitzerin des stolzen Hofes hatte viele Knechte und Mägde, und ein Knecht bemerkte zum öftern, daß sich die Bäuerin an den Donnerstagen in der Küche einschließe. Der Knecht verbarg sich einstmals in der Küche und beobachtete, wie die Bäuerin einen Besen mit einer Salbe bestrich und dann rief: "Oben aus und nirgends an!" und witsch! durch den Rauchfang ausflog. Der Knecht wollte es auch probieren, nahm aus der "Gschachtl" die Salbe, bestrich einen Besen und rief: "Oben aus und nirgends an!", und witsch! flog auch er durch den Rauchfang und hutsch! hutsch! hutsch! der Bäuerin nach. Dabei wurde ihm aber eigentümlich zumute, es wurde finster vor seinen Augen, so, daß er bald von Sinnen kam. Als er aufwachte, sah er sich bei einem Galgen niedergelegt, unter welchem seine Bäuerin und viele andere ihresgleichen, die er alle kannte, tanzten und sich hernach an eine mit köstlichen Speisen gedeckte Tafel setzten. Der Knecht aber stand verdattert unter dem Galgen und wußte gar nicht, wie ihm geschah. Da raunte eine Hexe der Bäuerin etwas ins Ohr, worauf diese auf den Knecht einen fuchsteufelswilden Blick warf und schrie: "So, du auch hier!" Hierauf wurde er zur Tafel gerissen, mußte zugreifen und noch mehr tun, hernach wurde ihm geboten, bei Tod und Teufel des Zerreißens zu Lab und Stab (Laub und Staub) stumm zu sein gegen jedermann, auch vom Kleinsten, was er gesehen, getan und noch sehen und tun werde. Nachdem er nichts mehr zu essen vermochte, schoben sie ihm von den Speisen, die übrigens köstlich und reichlich vorhanden waren, ein "Bscheidessen" in die Taschen und fuhren im Hui hinauf zum Somrig zum berüchtigten Hexentanze. Das war ein erschrecklich wüster Tanz, wobei der Knecht entmannt und zum Tode schwach zu Boden taumelte. Die Hexen fuhren in der Nähe nur noch kurze Zeit herum, zerstreuten sich endlich nach allen Weltgegenden, und der arme Knecht ritt als armseliger Häuter hinter seiner Bäuerin auf dem Besen heimwärts, durch den Rauchfang hinab in die Küche und hatte seine Neugierde teuer genug bezahlt.
Die Bäuerin ging am andern Tage ihren Geschäften so lustig
und allegro nach, als ob gar nichts vorgefallen wäre, und als der
Knecht seine Speisen ansah - waren es Roßmist, Haare, Totenbeine
und Aas. Darüber entsetzte er sich und zeigte es bei Gericht an,
und dort wurde nicht viel Federlesens gemacht, die Hexen wurden verbrannt;
den Knecht fand man aber gleich nach gemachter Anzeige schauderhaft zerrissen
und mit umgedrehtem Kopfe tot im Bette. Viele behaupten, daß uralte
Leute ausgesagt hätten, einst habe der Somrig "Sinn-Ring"
geheißen, denn man könne noch jetzt den großen Ring beobachten,
welchen die Hexen ausgetanzt hätten. Was aber "Sinn" bedeuten
soll, das haben die Alten nicht gesagt, und es wird sich wohl auch hierzu
der Ausleger finden.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 141