Das Hilpoltmandl
Um den Bergkopf, der Hilpolt oder Hilpoltkofel genannt, der sich zwischen dem Watten- und Duxer Tal aus den Alpenregionen Fallruck, Außer- und Innerlahn und Grafens erhebt, weben und schweben mannigfaltige Sagen. In diesem Hilpoltkofel soll sich ein Schatzloch befinden, unermeßlich und unerschöpfbar, dasselbe wird bewacht vom Geislerbauern, der einst ein ordentlicher Mann gewesen, das Geheimnis des Findens besaß, auch viel Gold gefunden hat, und, als er unendlich reich geworden, dem Stolz und Geiz sich ergab. Der Bauernhof, in welchem er wohnte und welcher der "Geislerhof" genannt wird, steht bei zwei Stunden weit drunten im Dux, am Wege von Wattental nach Lanersbach im Duxer Tale. Als der Geisler älter geworden war, vergrub er seine Schätze in dem Hilpolt, und als er starb, mußte er, gekleidet, wie er sonst war, hinauf zum Hilpolt, Schatzhüter werden und die kalte Pein leiden. Daher bedingte sich der Geisler vor dem Sterben, man möge ihn warm anlegen, damit er nicht gar zu sehr friere. Seine Hinterlassenen entsprachen auch vollkommen seinem Wunsche, und nachdem er in warmer Winterkleidung zur Erde bestattet worden war und die Leute im Wirtshause den gewöhnlichen "Totentrunk" verzehrten und heimgingen, da haben sie den armen "reichen Geisler" über den Anger gehen gesehen, in der nämlichen Kleidung, in der er verscharrt worden war. Langsam schritt er vorwärts und legte frierend die Hände vor den Mund, hauchte hinein und stöhnte husch! husch! Er trug eine graue Joppe und einen Duxer Hut, hatte einen Stock in der Hand und sah entsetzlich aus, daß es alle gruselte, welche ihn sahen.
Es ist nicht lange her, daß der Trögl Peter spät abends
über das Joch ging, als ihm der Geisler am Hilpolt - das Hilpoltmandl
nennt man ihn jetzt - begegnete, was auch andern Hirten manchmal geschehen
ist. "Wohin so eilig?" fragte der Geisler. Der Trögl Peter
kannte ihn nicht und erwiderte, daß er wegen des Geislers so sehr
eile, welchen er zwar nicht fürchte, weil er niemandem etwas zuleid
tue, und den er gern erlösen möchte, wenn es möglich wäre,
aber doch eile er vorbei, weil es immer unheimlich sei, in der Nähe
eines Schatzhüters zu verweilen. Hierauf sagte der Geisler: "Kannst
und willst du mich befreien, Peter? Ich bin's selbst, und kriegst mehr
Gold, als's ganze Dux da drunten wert ist." Aber Peter erschrak,
er nahm sein Wort zurück, denn ihm fiel zur rechten Zeit ein, daß,
wenn er sich in das Erlösungswerk einließe, er selber für
den andern Schatzhüter werden und frieren müßte. Darauf
ist das Mandl verschwunden, und Peter ist eilig auf der Fallrucker Seite
ins Hinterdux hinabgestiegen. Wohl haben viele Leute seit Jahren nach
den Schätzen und Goldadern nachgegraben, welche im Hilpolt verborgen
sein sollen, sogar von Augsburg kamen einmal zwei Schatzgräber, die
viel Geld verbauten; sie fanden aber nichts.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 75