Die Hufeisen im St.- Leonhard- Kirchlein
Eine Viertelstunde außer Meran liegt im lachenden Wiesengrunde das uralte St.-Leonhard-Kirchlein. Dasselbe bewahrt eine Eisenkette, welche ein aus türkischer Gefangenschaft wunderbar Befreiter hierher geopfert hat; denn St. Leonhard ist nach einer weitverbreiteten Legende der Schutzpatron und Befreier der Gefangenen. Die Kirchtür ist mit vielen Hufeisen bemalt, und das kommt daher: Vor alter Zeit, als die Ritterschaft in hiesiger Umgegend üppig aufblühte und Burg auf Burg sich auf Berg und Hügel erhob, führte bei diesem Kirchlein eine besuchte Straße vorbei nach Engadin und Welschland, wo die Kaiser blutige Fehden ausfochten. Die in den Kampf ziehenden Ritter pflegten im Hause des heiligen Leonhard anzuhalten, empfahlen sich in seinen Schutz und schlugen als Opfer und Wahrzeichen jeder ein Hufeisen an die Tür. Sobald aber die Tür voll Hufeisen war, nahm sie der Küster herab und verkaufte sie zum Vorteile der Kirche, die sich dadurch immer mehr verschönern konnte. Die Zeiten sind vergangen, wo die Ritter zurückkehren, sie schlagen auch keine Hufeisen an die Kirchentür des heiligen Leonhard - aber das fromme Gemüt der Anwohner ließ als geschichtliches Andenken die Tür mit Hufeisen bemalen.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 260.