Der Hut des Gespenstes
Ein Bursche zu Untermieming hatte seinem Mädchen versprochen, an einem bestimmten Abend zur Tanzmusik zu gehen. Dieser Abend kam, aber der Tänzer kam nicht; eine Verhinderung hielt ihn ab, zur rechten Zeit Wort zu halten. Die mit Ungeduld seiner harrende tanzlustige Dirne wartete endlich nicht länger, sie meinte, er sei wohl gleich ins Wirtshaus gegangen, tanze dort mit andern und vergesse sie ganz und gar; daher eilte sie hin auf den Tanzboden, doch auch dort war ihr Tänzer nicht. Nun lief sie nach Hause zurück und schlug eine Richtung ein, die über den Friedhof führte. Dort, zwischen zwei Gräbern, stand, so schien es, ihr Geliebter, es war seine Gestalt, sein Gewand - er stand so, daß er sie nicht gewahrte; leise schlich sie hinzu, riß ihm den Hut vom Kopf und enteilte - jener aber blieb regungslos stehen. Dies nahm sie wahr, als sie, in der Meinung, ihr Bursche werde ihr nacheilen, sich umblickte - und jetzt überlief sie ein Furchtschauer, und sie beschleunigte was sie konnte ihre Schritte, um nach Hause zu gelangen. Dort traf sie ihren Burschen an, der sein längeres Ausbleiben entschuldigte. Neuer Schreck, ihr Bursche hatte seinen Hut auf dem Kopfe und fragte bedenklich, wessen Hut sie denn mitbringe. - Die Dirn war so bestürzt, daß ihr nun alle Lust, zum Tanze zu gehen, verging, und der Bursche schied mißmutig von ihr.
Jene legte sich nieder, konnte aber kein Auge zutun. Um Mitternacht klopfte
es an die Kammertür, diese sprang auf, und eine starre Gestalt trat
ein, und sprach: "Gib mir meinen Hut wieder." Die Dirne kroch
unter die Decke in Todesängsten, und jener blieb so lange und so
starr und steinern stehen, bis der erste Hahnschrei erscholl. Das wiederholte
sich jede Nacht, und nun klagte die Geängstigte ihre Pein dem Seelsorger;
der gab ihr den Rat, auf den Kirchhof zu gehen und den Hut dort, wo sie
ihn genommen, zurückzugeben, er wolle sie selbst bis zur Friedhofspforte
geleiten. Dies geschah, aber als die Dirne jene Gestalt wieder stehen
sah, wurde sie so von Furcht übermannt, daß sie ihr den Hut
zuwarf und enteilte. Der Geistliche verwies ihr das und sagte ihr, sie
hätte den Hut dem gespenstigen Eigentümer auf den Kopf setzen
müssen. Doch kam die Gestalt fortan nicht wieder; aber die Dirne
begann zu kränkeln und kränkelte fort, bis sie bettlägerig
wurde und bald darauf starb.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 139