Jagd am Allerseelentag
Friedhof in Tramin,
Detail
© Wolfgang Morscher, 3. Mai 2006
Der Allerseelentag gilt zu Kaltern und den umliegenden Ortschaften als
besonders trauergeweihter, ausschließlich der Frömmigkeit und
den armen Seelen der Abgestorbenen im Fegefeuer zu verdienstvollen Handlungen
geweihter Tag. Ein Jäger ging am Allerseelentag anstatt in die Kirche
auf die Jagd, wo sich ihm, als er auf seinem Posten angelangt war, trotz
langen Irrens kein Hase zeigen wollte; er bestieg nun, um seine Spur zu
verbergen, einen Baum in der Nähe von Montiggl und war gesonnen,
von diesem herab die kommenden Hasen zu erlegen. Aber auch jetzt zeigte
sich ihm kein Hase, obgleich es der wildreichste Boden war. Der Jäger
dachte endlich nach und machte sich Vorwürfe, daß er an einem
solchen Tage jagen gegangen, und er wurde darüber sehr nachdenklich.
Doch blieb er bis gegen Abend auf dem Baume sitzen. Mit einem Male, als
er auf die Erde hinabblickte, sah er mit Staunen am Fuße des Baumes
eine Menge Hasen in buntem Gewimmel und mit seltsamen Gebärden herumspringen.
Er nahm sein Gewehr, schlug an - doch die Hand zitterte, und das sonst
verläßliche Gewehr versagte. Jetzt schrie der Jäger aus
Leibeskräften um Hilfe, und als ein Mensch aus der nächsten
Behausung zur Stelle kam, mußte er den entsetzten Jäger mit
Mühe vom Baume herabnehmen, und er war fast "g'fror'n".
Über das Wie und Was befragt, konnte er nicht Rede und Antwort geben
- er war stumm. Erst lange Zeit darnach gewann er die Sprache wieder und
konnte seinen Freunden das Abenteuer am Allerseelentage erzählen.
Übrigens hatte er genug an diesem Deuter und hat in Zukunft diesen
Tag stets als einen heiligen Ruhetag mit ernster Andacht gefeiert.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 391.